Anmerkungen zum U.S.-kartellrechtlichen Verfahren gegen Microsoft

Von Carsten Schulz

In seinem Essay zum Vergleich in dem Kartellrechtsstreit zwischen dem U.S.-amerikanischen Justizministerium und Microsoft kommt der Journalist Joe Barr zu einer wenig schmeichelhaften Schlussfolgerung: Hätte er selbst die Anwälte losgeschickt, um mit Microsoft einen Vergleich zu schließen, und sie wären mit diesem Ergebnis zurückgekommen, hätte er sie nicht nur gefeuert... (den Rest mag der interessierte Leser im Originalartikel weiterlesen).

Hintergrund:

I. Der Artikel Joe Barrs
Lesenswert ist der Artikel weniger wegen der durchaus bemerkenswerten Ideen zum Umgang mit Anwälten, als vielmehr wegen seiner Kritik an dem geschlossenen Vergleich.
Der Autor zeigt drei Punkte auf, die nach seiner Ansicht die zentralen Probleme darstellen:
1. Der Vergleich enthalte keine hinreichenden Regelungen in Bezug auf das zukünftige Marktverhalten von Microsoft. Dies bedeute, dass sich im Wesentlichen gar nichts ändern werde.
2. Die wenigen Beschränkungen, die der Vergleich dann doch enthalte, seien so voller Ausnahmen und Schlupflöchern, dass sich diese kaum würden durchsetzen lassen. Vielmehr stelle der Vergleich geradezu eine "Bill of Rights" für das monopolistische Verhalten dar, welches gerade Gegenstand der Untersuchungen gewesen sei.
3. Schließlich ließen sich Beschränkungen auch gar nicht durchsetzen. Der Vergleich enthalte keine Regelungen über Strafen oder andere Konsequenzen für den Verstoß gegen seine Inhalte. Das einzige was die Anwälte des Justizministeriums hier "erreicht" hätten, sei eine Stimmengleichheit von Ministerium und Microsoft bei der Wahl des dreiköpfigen Teams, welches die Einhaltung des Vergleichs beobachten solle.

Man mag durchaus in einigen Punkten nicht mit der Meinung des Autors konform gehen. Eines zeigt der Artikel aber deutlich: Der Kompromiss, den das U.S.-amerikanische Department of Justice und das Unternehmen Microsoft gefunden haben, stellt sicherlich alles andere als den "Stein der Weisen" im Hinblick auf die Frage dar, wie die Monopolstellung des Softwareunternehmens durch kartellrechtliche Regelungen sachgerecht beschränkt werden kann. Es verwundert daher auch keineswegs, wenn verschiedene U.S.-Bundesstaaten (die dem Vergleich zustimmen müssen) signalisiert haben, dass sie mit der gefundenen Regelung alles andere als glücklich sind. Ebenso wenig überrascht es, dass in regelmäßigen Abständen vermeldet wird, die EU werde ein eigenes Kartellrechtsverfahren gegen Microsoft einleiten.

II. Das kartellrechtliche Verfahren gegen Microsoft
Dass es sich bei dem Verfahren gegen das Unternehmen Microsoft um einen großen Softwarehersteller handelt, könnte durchaus Anstoß dazu geben, sich erneut Gedanken über das Verhältnis kartellrechtlicher Schranken einerseits und der Gewährung urheberrechtlicher (und anderer immaterialgüterrechtlicher) Ausschließlichkeitsrechte andererseits zu machen:
Die marktbeherrschende Stellung, die Microsoft heute in bestimmten Bereichen einnimmt, dürfte letztlich (auch) darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber weitreichenden urheberrechtlichen Schutz für Computerprogramme gewährt und damit (zeitlich befristete) Monopolstellungen schafft. Dass die aus der Gewährung einer solchen Stellung folgende Möglichkeit der Erzielung von Monopolprämien monetäre Anreize zur Generierung neuer Innovationen schafft, soll dabei an dieser Stelle überhaupt nicht bezweifelt werden.

Interessant dürfte aber sein - wenn man sich entgegen der klassischen Entwicklung des europäischen Urheberrechts auf eine ökonomische Betrachtung einlassen mag - dass es aus der Sicht einer optimalen Förderung von Innovation nicht nur (etwas vereinfacht gesagt) ein "zu wenig" an staatlicher Gewährung von Monopolen an Geistesgütern geben kann, sondern durchaus auch ein "zu viel": Es gibt eine maximale Grenze immaterialgüterrechtlicher Schutzintensität, bis zu welcher steigende Nettogewinne der Hersteller zu erwarten sind. Bei sehr intensiver Gewährung von immaterialgüterrechtlichem Schutz kann eine weitere Erhöhung gewinnmindernd wirken, wenn eine weitere Erhöhung des Vermarktungsgewinns nicht mehr realisierbar ist, zugleich die Kosten der Herstellung sich aber erhöhen, weil der Rückgriff auf bestehende immaterialgüterrechtlich geschützte Werke schwieriger wird.

Da aber jeder neue Urheber von Software in Konkurrenz zu etablierten Marktteilnehmern um das Budget potentieller Erwerber treten muss, kann dennoch die Intensivierung immaterialgüterrechtlichen Schutzes auch dann noch im Sinne marktstarker Hersteller liegen, wenn eine solche nicht mehr zu einer Verbesserung der Stellung der Hersteller in toto führt. Etablierte Unternehmen können auf einen Bestand an eigenen geschützten Werken zurückgreifen, der als Basis für weitere immaterialgüterrechtlich geschützte Werke dienen kann; bestehen solche Möglichkeiten, dann sind die Auswirkungen einer weiteren Intensivierung immaterialgüterrechtlichen Schutzes auf die Kosten der Kreation weniger spürbar, als bei neuen Mitbewerbern. Zu intensiver immaterialgüterrechtlicher Schutz kann insoweit Marktzutrittsschranken etablieren.

Hier könnte das Verfahren gegen Microsoft möglicherweise Denkanstöße liefern, ob tatsächlich allein die kartellrechtliche Daumenschraube zur Verhinderung einer zu weitgehenden Monopolisierung des Softwaremarktes angesetzt werden sollte. Bei aller gebotenen Vorsicht - das gegenwärtige Verfahren könnte durchaus ebenso ein Indikator dafür sein, dass bereits in der Vergangenheit der Grundstein für einen monopolisierten oder zumindest oligopolisierten Markt durch eine zu weitgehende Gewährung von Immaterialgüterrechten an Computerprogrammen gelegt wurde. Dann wäre zu überlegen, ob nicht grundsätzlich die immaterialgüterrechtliche Monopolstellung an Computerprogrammen (v.a. Urheberrechte und Patente) auf ein sachgerechteres Maß zurückgeführt werden sollte.

(Anm. d. Verf.: Diese Überlegungen mögen bitte tatsächlich nur als "Denkanstoß" verstanden werden. Zur tatsächlichen Ableitung von Ergebnissen wären weitreichende Untersuchungen notwendig.)