Aufsatz zu juristischen Risiken von Open Source Software

Von RA Olaf Koglin
 
Thies Deike, der bereits kürzlich einen Aufsatz zu Open Source Software in der Fachzeitschrift "Computer und Recht" geschrieben hat, hat - nun zusammen mit Ulrich Wuermeling - einen weiteren Aufsatz verfasst. Unter der Überschrift "Open Source Software - Eine juristische Risikoanalyse" gehen die Autoren auf Unklarheiten bei der Auslegung der GPL und auf weitere Risiken ein. Andere Lizenzen als die GPL und die LPGL werden nicht in die Analyse einbezogen. Auch wird nicht verglichen, wie groß das entsprechende Risiko bei proprietärer Software ist.

Zur Veranschaulichung des Konfliktpotentials wird der Krayon-Fall angeführt, bei dem SuSe die Verbreitung des Programms Krayon vorab durch das LG München vom Inhaber der Marke Crayon untersagt wurde. Kurz darauf haben sich die Parteien außergerichtlich geeinigt, ohne dass SuSe Lizenzgebühren an Crayon zahlen musste. Fraglich ist wohl, ob dieses Beispiel ein besonderes Risiko von Open Source Software aufzeigt. Denn zum einen sind Markenrechtstreitigkeiten ein ständiges Risiko beim Vertrieb von Produkten. Zum anderen hat derselbe Rechtsanwalt, der die Interessen von Crayon vertreten hat, für die Inhaber der Marke explorer zahlreiche Unterlassungsverfügungen gegen proprietäre Programme, die den Bestandteil "explorer" im Namen führten, erwirkt. Nach den Angaben dieses Rechtsanwalts war sogar ein großer Hersteller proprietärer Computersoftware, der häufig als Gegenpol zu Linux angeführt wird, aufgrund seiner Datei-Explorer von diesem Risiko stark betroffen.

Den Schwerpunkt des Aufsatzes bildet die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein "work based on the program" vorliegt und damit das Copyleft greift. Nicht nur durch diese Gewichtung erinnert die Risiko-Analyse an Microsofts FAQ zur GPL. Parallel ist auch das Herausstellen der Tatsache, "dass schon die Übernahme unbedeutender Teile des Programms die Geltung der GPL ... auslöst". Dass das Copyleft nicht an den Umfang der Bearbeitung oder des übernommenen Codes anknüpft, sondern nur die Verbreitung einer Bearbeitung voraussetzt, ist das Grundkonzept der GPL. Wer auch nur einen unbedeutenden Teil eines GPL-Programms nutzen möchte, muss dies unter den Bedingungen der GPL tun. Ebensowenig darf man proprietäre Software urheberrechtswidrig nutzen, auch wenn es sich nur um einen unbedeutenden Teil der Software handelt.
Angreifbar ist wohl die These, dass "die - bewusste oder unbewusste - Verwendung kleiner und unbedeutender Bestandteile von GPL-Software" das Copyleft nach sich ziehen könne. Falls tatsächlich völlig unbewusst GPL-Software verwendet wird, wird es auch an der Kenntnis der GPL und dem Willen, einen GPL-Softwarelizenzvertrag abzuschließen, fehlen. Folglich bestehen auch keine Verpflichtungen aus der GPL, sondern nur der verschuldensabhängige Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG.
Erörtert wird auch die Ausdehung der GPL auf Arbeitsergebnisse, und zwar sowohl bei der Nutzung von freien Office-Produkten als auch bei der Nutzung von Compilern. Bei der Nutzung von Compilern und Libraries kommen die Autoren nach ausführlicher Analyse der GPL zu dem Schluss, dass letztendlich die technischen Eigenschaften maßgeblich seien dürften. Hierbei differenzieren sie jedoch nicht danach, ob statisch oder dynamisch gelinkt wird, sondern stellen auf eine "funktionelle Einbindung über Schnittstellen" ab.