Last exit GPLv3

Von Dr. Till Jaeger
 
Pünktlich zum 31. Mai 2007 veröffentlichte die Free Software Foundation (FSF) den "Last call draft" für Version 3 der GNU General Public License (GPL). Dieser Entwurf soll der Öffentlichkeit für weitere 30 Tage zur Diskussion gestellt werden, bevor im Juli dann die fertige GPLv3 veröffentlicht wird. Damit besteht jetzt wohl die letzte Gelegenheit, auf die Gestaltung der wichtigsten Lizenz für Freie Software einzuwirken. Das ifrOSS lädt daher alle Interessierten dazu ein, in unserem Wiki Kommentare und Verbesserungsvorschläge aus europäischer Perspektive einzubringen. Für allgemeine Aspekte kann insoweit auf die Kommentarmöglichkeit auf der Website für die GPLv3 verwiesen werden.

Neben dem nunmehr 4. Entwurf lieferte die FSF erläuternde FAQ zu den neuesten Änderungen sowie einen lesenswerten Essay des FSF-Gründers und GPL-Autors Richard Stallman zu dem Thema "Why Upgrade to GPL Version3".

Hintergrund:

Bereits in den Nachrichten der Woche vom 16.01.2006, 31.07.2006 und 29.03.2007 wurde an dieser Stelle über die Gründe für eine neue Lizenzversion, die wichtigsten Änderungen und den Ablauf des GPLv3-Prozesses informiert. Insoweit kann auf diese Darstellungen verwiesen werden. Im Fokus des Interesses stehen daher die Regelungen, die die Rechtsposition der Rechteinhaber im Vergleich mit GPLv2 zugunsten der Lizenznehmer schwächen und daher in der letzten Diskussionsrunde am stärksten im Vordergrund stehen.

Enforcement

Zahlreiche Verfahren in Deutschland haben gezeigt, dass die Rechtsinhaber von unter der GPL lizenzierter Software die Einhaltung der Lizenzbedingungen - wie etwa die Pflicht, den Sourcecode zur Verfügung zu stellen - effektiv durchsetzen können. Dies liegt im Wesentlichen an der juristischen Konstruktion der GPLv2, die eine "automatic termination"-Klausel enthält. Diese bewirkt, dass der Verletzer automatisch seine Rechte aus der Lizenz verliert und damit eine Urheberrechtsverletzung begeht.

Der Entwurf für GPLv3 sieht nunmehr keinen automatischen Rechtewegfall vor, sondern lediglich eine Kündigungsmöglichkeit der Rechteinhaber. Dies wurde für den ersten Entwurf damit begründet, dass ein automatischer Rechtewegfall in vielen Fällen eine zu schwerwiegende Sanktion darstelle, da der Verletzer zur Wiederherstellung seiner Rechte der Zustimmung jedes einzelnen Rechteinhabers bedürfe. Diese Rechtsauffassung wurzelt im US-Recht, wonach in der GPL-Lizenzierung kein Vertragsabschluss (im Sinne des US-Rechts) zu sehen ist, sondern eine bloße Rechtseinräumung. Im europäischen Rechtsraum, wird ganz überwiegend der Abschluss eines (Lizenz-)vertrages angenommen, der jederzeit erneuert werden kann, so dass mit der Umstellung auf einen GPL-konformen Vertrieb auch wieder die entsprechenden Rechte erworben werden können, ohne dass dafür ein direkter Kontakt mit den Rechteinhabern notwendig wäre.

In dem mehrfach geänderten Text der jetzigen Ziffer 8 ist nunmehr vorgesehen, dass eine Kündigung nur innerhalb von 60 Tagen nach der letzten GPL-Verletzung möglich ist und auch nur insoweit wie der Kündigende die Rechte besitzt. Weiterhin ist eine "automatische" Rechtewiederherstellung für den Fall vorgesehen, dass der Verletzer innerhalb von 30 Tagen nach einem entsprechenden Hinweis eines Rechteinhabers die Lizenzverletzung "heilt". Problematisch ist die neue Regelung insbesondere bei Vertriebsketten, da etwa gegen einen Hersteller, der sämtliche Programmkopien GPL-widrig vertrieben hat, nach 60 Tagen nicht mehr vorgegangen werden kann. Fraglich ist weiterhin, ob sich ein Zwischenhändler rechtmäßig verhält, der nach diesen 60 Tagen die GPL-widrigen Kopien weitervertreibt. Würde man den Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit nach 60 Tagen dahingehend verstehen, dass der davor erfolgte Vertrieb zwar lizenzwidrig, aber dennoch mit Zustimmung der Rechteinhaber erfolgt ist, würde sich das Verbreitungsrecht der Rechteinhaber für diese Kopien erschöpfen und der Zwischenhändler dürfte die Kopien auch ohne Abschluss des GPL-Lizenzvertrages zulässig weitervertreiben. Eine Durchsetzung der GPL-Lizenzbedingungen würde damit unmöglich.

Der Entwurf für die GPLv3 schießt hier offenbar über das Ziel eines angemessenen Ausgleichs mit den Interessen der versehentlichen GPL-Verletzer hinaus. Dass dies nicht erforderlich ist, zeigt die auch von der FSF für rechtlich zulässig gehaltene Möglichkeit einer "automatischen" Wiederherstellung der Rechte aus der Lizenz - zusammen mit einem automatischen Wegfall der Rechte bei einer Verletzung könnte so eine angemessene Regelung gefunden werden.
ASP

Im Sinne einer besseren Internationalisierung der Lizenz wird eine neue Begrifflichkeit eingeführt. So lösen die Begriffe "propagate" und "convey" für Vertriebshandungen das bisherige "distribute" ab. Damit sollen eindeutiger als bisher auch solche urheberrechtliche Nutzungshandlungen in die gewährten Rechte einbezogen werden, die das US-Urheberrecht nicht kennt und die daher mit "distribute" nicht hinreichend klar umschrieben werden. Dazu gehört insbesondere auch das "Recht der öffentlichen Zugänglichmachung", das Handlungen wie das Angebot von Software zum Download umfasst. Nach überwiegender Auffassung in Deutschland bedarf es für eine Softwarenutzung im Wege des Application Service Providing (ASP) auch des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung. Bei richtiger Auslegung ist dies in Deutschland bereits unter der GPLv2 möglich. Jedoch bestehen auch hier Unterschiede zum US-Recht. Dort geht man davon aus, dass ASP von dem Begriff "distribute" nicht erfasst wird, solange der Erwerber der Software keine Kopie erhält.

Um auch ein ASP mit Freier Software zu ermöglichen, wurde zunächst in die Affero Public License eine entsprechende Regelung eingefügt, die ursprünglich auch ein Vorbild für die GPLv3 sein sollte. Diese Intention wurde offenbar fallen gelassen. Während der 2. Entwurf noch eine weitgehende Kompatibilitätsklausel mit der Affero GPL besaß, die auch eine Nutzung unter der Affero GPL ermöglicht hätte, ist diese nunmehr auf die Möglichkeit beschränkt worden, Code unter beiden Lizenzen zu kombinieren. Für die europäischen Rechteinhaber ergibt sich daraus das Problem, dass die GPLv3 sämtliche Pflichten aus der GPL davon abhängig macht, dass der Lizenznehmer die Software im Sinne des Begriffs "convey" nutzt. "Conveying" umfasst nach der Definition in der GPLv3 aber explizit keine Nutzung in Netzwerken, wenn dabei keine Kopie übermittelt wird. Dies bedeutet, dass "propagate" zwar das Recht zum ASP einräumt, aber keine Pflichten damit verbindet. Wenn also ein Lizenznehmer eine Anwendung weiterentwickelt und nur per ASP eine Nutzung dieser veränderten Software ermöglicht, so kann der Nutzer weder den Sourcecode der veränderten Software verlangen noch Rechte an diesen Änderungen erwerben. Damit könnten die GPL-Lizenzbedingungen unter der GPLv3 - jedenfalls in Deutschland - einfacher umgangen werden, als dies unter der GPLv2 der Fall ist.

DRM

Hier hat sich bereits eine öffentliche Diskussion an der Frage entzündet, in welchem Umfang Lizenznehmer der GPL die Nutzung der Software mit Hilfe eines Digital Rights Management-Systems beschränken können sollen (vgl. Oliver Diedrich - Die Woche: Freiheit, die ich meine). Diese auch als "Tivoisierung" bezeichnete Beschränkung wurde bei dem mit Linux ausgestattetem Videorecorder TiVo eingesetzt, indem von dem Gerät eine vom Hersteller signierte Firmwareversion verlangt wird, damit diese auch gestartet wird. Während sich die FSF dafür einsetzte, dass der Lizenznehmer auch das Wiederaufspielen von veränderter Software ermöglichen muss, hielt Linus Torvalds dies für nicht erforderlich.

Der neue Entwurf sieht eine Kompromisslösung vor: Bei Verbraucherprodukten muss der Hersteller die notwendige "Installation Information" zur Verfügung stellen, während dies bei Businessprodukten nicht erforderlich ist. Hier bleibt dem interessierten Entwickler nur die - durch die GPL gestattete - Möglichkeit, das DRM-System zu umgehen. Es fragt sich, ob die Abgrenzung nach dem Kriterium "Verbraucherprodukt" eine schlüssige Lösung bildet. Alle Interessen sind bei dieser Frage offenbar nicht unter einen Hut zu bekommen.

Die nächsten 30 Tage werden zeigen, ob bei diesen strittigen und in den rechtlichen Konsequenzen oftmal komplexen Aspekten angemessene Lösungen gefunden werden können. Es wäre wünschenswert, wenn dabei die Entwicklung zu einem immer detaillierteren und auf Einzelprobleme ausgerichteten Lizenztext gestoppt werden könnte. Schon jetzt ist der Entwurf für die GPLv3 mehr als doppelt so lang wie die GPLv2.