Open Source Entwickler wollen "Softwareklau" verbieten

Von Carsten Schulz

Das Miranda-Team wies Mitte des Monats in einer Mitteilung darauf hin, es bestehe der Verdacht, der Open Source Instant Messenger Miranda werde unter Verstoß gegen die General Public License unter der Bezeichnung "Zeez" vermarktet. Sollte es erforderlich werden, wolle man rechtliche Schritte einleiten.
Die Entwickler hatten die beiden Anwendungen äußerlich miteinander verglichen und festgestellt, dass in weiten Teilen eine Übereinstimmung zwischen beiden Programmen besteht. Die Dialogfenster wirken ebenso abgekupfert, wie auch die Datenbankstruktur und sonstige programmtechnische Feinheiten. Gewissheit kann freilich nur ein Vergleich des Quellcodes bringen. Ein solcher war bisher noch nicht möglich, da die Entwickler von Zeez keinen Einblick in die Quellen gewähren wollten.

Hintergrund:

Software, die unter der General Public License steht, darf von jedermann bearbeitet und vertrieben werden, vorausgesetzt er beachtet die in der Lizenz aufgestellten Bedingungen. Und diese besagen insbesondere, dass (1.) jedem Erwerber der Software der Zugang zum Quellcode ermöglicht werden muss, dass (2.) jedem Erwerber der unveränderten Software eine GPL-Lizenz mitgeliefert wird und (3.) dass Bearbeitungen des Programms wiederum nur unter der GPL vertrieben werden dürfen.
Diese Bedingungen erfüllten die Zeez-Vertreiber - wenn es sich denn um eine Übernahme des Miranda Codes handelte - nicht. Weder wurde der Quellcode zugänglich gemacht, noch wurde die Software unter der GPL vertrieben.

Dabei kann der Fall zweierlei deutlich machen:

    • Auch Freie Software ist urheberrechtlich geschützt. Sie darf, wie jede Software allein in dem Umfang verwendet werden, wie die Urheber dies gestatten. Allein dass die Urheber bereit sind, weitergehende Rechte als bei sog. "proprietärer" Software einzuräumen macht Open Source Software nicht zu einem herrenlosen Code, den sich jedermann aneignen kann.
    • Da jeder Urheber grundsätzlich selbst darüber entscheiden kann, wem er welche Rechte einräumt, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Softwarelizenzen. Dabei ist es durchaus möglich, dass es jemandem gestattet wird, ein paar kleine Änderungen an der Software vorzunehmen und diese dann so zu vertreiben, wie der Rechteerwerber es möchte. Räumt der Urheber diese Rechte aber nicht ein, so sind entsprechende Handlungen nicht gestattet.

Dass Entwickler, die ihre Software unter die GPL stellen, nicht bereit sind, alle Rechte "bedingungslos" einzuräumen, ist gerade von großen "proprietären" Softwareherstellern und ihren Verbänden in der Vergangenheit vielfach kritisiert worden. Wesentlicher Angriffspunkt war dabei vor allem die Tatsache, dass der Vertrieb von Bearbeitungen der Software wiederum unter den GPL-Bedingungen stattfinden muss; damit werde ein "viraler Effekt" geschaffen.
Diese Kritik ist durchaus erstaunlich:
Für GPL-Software und für proprietäre Programme gilt gleichermaßen, dass eigenständige Programme nicht unter die Lizenz eines anderen Programmes fallen können. Vollkommen unabhängig davon, ob es andere proprietäre oder GPL-Programme gibt, kann selbstverständlich jedermann seine eigenen Programme entwickeln.
Interessant wird die GPL-Verpflichtung, den Vertrieb von Bearbeitungen nur unter derselben Lizenz durchzuführen, erst in dem Fall, dass bestehende Programme verändert und anschließend vertrieben werden. Und hier fragt man sich, was die ganze Aufregung soll. Denn die Möglichkeit, die entsprechenden Rechte nur unter bestimmten "Bedingungen" einzuräumen, nutzen "proprietäre" Hersteller und GPL-Entwickler gleichermaßen. Allein die Bedingungen unterscheiden sich:

    • Der "proprietäre" Softwarehersteller macht die Einräumung der Rechte zur Bearbeitung und zum Vertrieb der Bearbeitung regelmäßig davon abhängig, dass eine bestimmte Lizenzgebühr gezahlt wird. Das ist sein gutes Recht, an dem nicht gerüttelt werden sollte.
    • Der GPL-Entwickler verlangt, dass auch die Bearbeitung ausschließlich unter derselben Lizenz vertrieben wird. Für die Bearbeitung selbst und ihre eigene Verwendung stellt er keine Bedingungen auf.

Ob sich der Lizenznehmer auf die Bedingungen einlassen will, ist in beiden Fällen ausschließlich seine Angelegenheit:

    • Ist er bereit die Lizenzgebühr für proprietäre Software zu zahlen? Wenn nicht, dann darf er die Software nicht bearbeiten und Bearbeitungen nicht vertreiben.
    • Ist er bereit, die Software wiederum nur unter der GPL zu vertreiben? Wenn nicht, dann darf er die Software zwar bearbeiten und selbst nutzen. Vertreiben darf er sie aber nicht.

Es mag daher jeder selbst entscheiden, ob er lieber "proprietäre" Software bearbeitet und Lizenzgebühren zahlt, oder ob er GPL-Code bearbeitet und beim Vertrieb wiederum GPL-Rechte einräumt.