Open Source Jahrbuch 2007 erschienen

Von Dr. Axel Metzger
 
Es ist eine schöne Tradition geworden, alljährlich zur CeBIT das neue "Open Source Jahrbuch" in den Händen halten zu können. Das mittlerweile vierte Jahrbuch, auch diesmal von den Herausgebern Bernd Lutterbeck, Matthias Bärwolf und Robert Gehring betreut, versammelt zahlreiche lesenswerte Beiträge zur Theorie und Praxis des Open Source Entwicklungsmodells. Das 564 Seiten starke Jahrbuch steht kostenlos zum Download im Internet, kann aber auch als Hardcopy erworben werden.
Natürlich können im Folgenden nur einzelne Beiträge heraugegriffen werden. Prominentester Autor ist dieses Jahr ohne Zweifel Richard Stallman, der freilich wenig Neues zu berichten weiß. Sein Beitrag widmet sich dem bekannten Thema: "Warum 'Open Source' das Wesentliche von 'Freier Software' verdeckt". Schade, dass der Präsident der Free Software Foundation das Forum des Jahrbuchs nicht für einen Beitrag zu einem der aktuell drängenden Fragen der freien Softwarewelt benutzt hat, etwa der GPLv3, dem Microsoft-Novell-Deal o.ä. Er scheint den Kenntnisstand der Leserschaft des Jahrbuchs unterschätzt zu haben.
Die andere Beiträge des Jahrbuchs entschädigen den Leser mit einer Reihe von neuen, teilweise originellen Perspektiven. So lotet Janet Hope die Möglichkeiten der "Pharmaforschung mit Open-Source-Methoden" aus. Wegen der hohen Anfangsinvestitionen und der strengen Regulierung wird der Pharmabereich zumeist als wenig geeignet angesehen, um Open Source-ähnliche Entwicklungsmodelle anzuwenden. Hope nennt diese und andere Hürden für entsprechende Projekte, weist aber auch auf erste Versuche für Open Source-ähnliche Initiativen hin.
Thomas Dreier und Kendra Stockmar beleuchten das konfliktgeladene Verhältnis von "Open Access vs DRM" und kommen zum Ergebnis, dass eine Synthese beider Ansätze in bestimmten Konstellationen möglich ist und auch in der Praxis gelebt wird. In Bernd Lutterbecks Beitrag "Sharing - Ein Kampf ums Recht" liest man, dass der anthropologische Begriff des "sharing" Ausgangspunkt sein könnte, um eine neue juristische Institution jenseits von Eigentum und Allmende zu bilden. Man würde hier gerne mehr erfahren, etwa wie sich die Anerkennung einer solchen Institution auf die vertrags- und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen von Open Source Gemeinschaften auswirken könnte.
Konkrete juristische Fragen stellen sich Christian Laux und Jan Widmer unter der Überschrift "Produkthaftung für Open-Source-Software?". Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Gefahren für Open Source Entwickler heute vielfach übertrieben dargestellt werden. Dem kann man im Grundsatz zustimmen, auch wenn man die Haftungsrisiken gerade auch der kommerziellen Distributoren nicht untertreiben sollte. Dem Thema "Die GPLv3 - Ein Schutzschild gegen das Damoklesschwert der Softwarepatente?" widmet sich schließlich Lisa Böcker. Der Beitrag belegt in zutreffender Weise, dass die GPLv3 allenfalls einen Teilbereich der rechtlichen Probleme wird lösen können, die sich für freie Software-Projekte in Anbetracht der wachsenden Zahl von Patenten im Bereich Informationstechnologie stellen. Für die anderen Fragen wird der Gesetzgeber Antworten finden müssen.
Die Auswahl der hier vorgestellten Beiträge ist, notgedrungen, subjektiv wie jede Auswahl. Insgesamt verfestigt sich der Eindruck der letzten Jahre: das Open Source Jahrbuch hat sich als Forum für die Diskussion der wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen der Freien Software etabliert.