Russisches Ministerium denkt über Gesetzesanpassungen für offene Lizenzmodelle nach

von: Stefan Labesius
 
Die russische Regierung sieht offenbar gesetzgeberischen Handlungsbedarf bei den rechtlichen Grundlagen für den Abschluss von Lizenzverträgen. So hat das russische Kommunikationsministerium (Minkomsvjaz') verschiedene Vorschläge für gesetzliche Änderungen unterbreitet, die im Kern die Lizenzierung von immaterialgüterrechtlich geschützten Werken im Internet auf Grundlage offener Lizenzmodelle erleichtern bzw. ermöglichen sollen. Nachdem im Frühjahr die russische Präsidialverwaltung eine Überprüfung von netzrelevanten Regelungen angestoßen hatte, deuten sich damit konkrete Änderungen in Bezug auf die Lizenzierung von Open Content an.

 
In seinem Schreiben vom 1. August 2011 nimmt das Ministerium ausdrücklich Bezug auf die Lizenzmodelle von GPL und Creative Commons und weist auf bestehende Unsicherheiten bei der Verwendung entsprechender Lizenzen hin. So existieren im russischen Zivilgesetzbuch (ZGB) beispielsweise strenge Formvorschriften beim Abschluss von Lizenzverträgen (vgl. NdW vom 28. März 2010), die eine vertragliche Lizenzierung über das Internet wesentlich erschweren. Auch ist die Einbeziehung von vorformulierten Lizenztexten in den Lizenzvertrag bisher nur sehr eingeschränkt möglich und Art und Umfang der Nutzungsrechtseinräumung folgt einer formalen Regelung. Denn im Gegensatz zur Zweckübertragungslehre i.S.d. § 31 Abs. 5 UrhG muss der Umfang der Nutzungsbefugnis ausdrücklich bestimmt werden, andernfalls gilt ein Nutzungsrecht im Zweifel als nicht eingeräumt (vgl. Art. 1235 Pkt. 1 ZGB).

Vor diesem Hintergrund regt das Minkomsvjaz' folgende konkrete Änderungen an: So soll durch gesetzliche Anpassungen im allgemeinen Vertragsrecht des ZGB ein Vertragsschluss über das Internet (z. B. durch Mausklick oder durch den Beginn von Nutzungshandlungen) erleichtert werden. Des Weiteren müssen die Regelungen über einen Abschluss von Lizenzverträgen unter  Verwendung standardisierter Lizenzbestimmungen vereinfacht werden. Hierzu sollen die Bestimmungen  für sog. Beitrittsverträge (Art. 428 ZGB) auf sämtliche Lizenzverträge ausgedehnt werden, um damit standardisierte Vertragsklauseln durch eine einseitige Zustimmung des Lizenznehmers einfacher einbeziehen zu können. Nach Ansicht des Ministeriums können dann Vertragsbedingungen, die eine Weiterverbreitung des Lizenzgegenstandes zu den gleichen Lizenzbedingungen verlangen, rechtlich wirksam gestaltet werden. Bisher ist lediglich bei der Lizenzierung von Software und Datenbanken eine Lizenzeinräumung im Wege eines Beitrittsvertrages vorgesehen (siehe Art. 1286 Pkt. 3 ZGB).
 
Daneben sieht der Vorschlag vor, zwischen Wirtschaftsunternehmen eine unentgeltliche nichtausschließliche Lizenzierung gesetzlich zu ermöglichen. Bisher ist weitgehend ungeklärt, ob eine solche Lizenzierung unter dem geltenden Recht zulässig ist. Vor einiger Zeit hatte das Forschungszentrum für Privatrecht beim Präsidenten der russischen Föderation angedeutet, dass eine unentgeltliche Lizenzierung nach schenkungsrechtlichen Regelungen zu behandeln sei (siehe NdW vom 26. Januar 2009). Eine solche Wertung würde aber bedeuten, dass eine unentgeltliche Lizenzierung ausgeschlossen sein könnte, da Schenkungen zwischen Wirtschaftsunternehmen unter Umständen rechtlich unwirksam sind (vgl. Art. 575 Pkt. 1 Nr. 4 ZGB).

Auch schlägt das Ministerium vor, einen Mechanismus zu verankern, der es dem Inhaber sämtlicher Verwertungsbefugnisse erlaubt, schon vor Ablauf der gesetzlich bestimmten Schutzfrist, über diese Befugnisse einseitig zu verfügen bzw. diese zu begrenzen und die Nutzung des Werkes insoweit der Allgemeinheit zu ermöglichen. Die einseitige Erklärung über die Begrenzung des Ausschließlichkeitsrechts könnte dann auf den Internetseiten der zuständigen öffentlichen Stellen veröffentlicht werden. Das Ministerium sieht hierbei eine solche einseitige Begrenzung als zusätzliche Möglichkeit zur Lizenzierung nach den Creative-Commons-Regeln. Sie soll aber eine solche Lizenzierung nicht ausschließen. Vielmehr könnten dadurch mögliche Sprachprobleme umgangen werden, wenn Lizenztexte lediglich in englischer Sprache einbezogen werden können. Beispielsweise existieren für die russische Rechtsordnung bisher keine angepassten Creative-Commons-Lizenztexte.

Schließlich sind nach Auffassung des Minkomsvjaz' für den Fall einer einseitigen Beschränkung des ausschließlichen Rechts und den Fall einer vereinfachten vertraglichen Lizenzierung auch die Regelungen der sog. persönlichen Nichtvermögensrechte anzupassen. Insbesondere das Recht auf Unantastbarkeit des Werkes (Art. 1266 ZGB) und das Rückrufrecht (Art. 1269 ZGB; letzteres findet beispielsweise bei Software schon jetzt keine Anwendung) müssten so ausgestaltet werden, dass eine entsprechende Nutzungs- und Bearbeitungsbefugnis für Dritte möglich ist. Dadurch könnten kollaborative Werkerstellungen und -bearbeitungen wesentlich erleichtert werden.

Abzuwarten bleibt allerdings, wann tatsächlich ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt werden wird. Im kommenden Monat finden zunächst Dumawahlen statt, und im Frühjahr wird ein neuer Präsident bestimmt. Mit einer Novellierung der lizenzrechtlichen Regelungen dürfte damit nicht vorher zu rechnen sein, auch wenn das Ministerium in seinem Schreiben eine zügige Anpassung des gesetzlichen Rahmens anmahnt.