W3C Patent Policy Framework

Von Carsten Schulz

Das World Wide Web Consortium (W3C) hat eine neue Runde in der Diskussion um das künftige Vorgehen bei der Standardisierung patentierter Verfahren eingeleitet. Dabei wurden unter anderem Professor Eben Moglen, Anwalt der Free Software Foundation (FSF), und Bruce Perens, Mitbegründer der Open Source Initiative (OSI), als sogenannte "geladene Experten" in die Patent Policy Working Group (PPWG) bestellt. Daneben hat die PPWG eine neue öffentliche Webseite eingerichtet die Informationen über den Fortgang der Verhandlungen zu Möglichkeiten patentierter Standards enthält. Auch wird geplant, interessierten Kreisen erneut die Möglichkeit einer Stellungnahme zum W3C Patent Policy Framework zu gewähren.

Hintergrund:
Das World Wide Web Consortium ist eine 1995 gestartete Initiative von mittlerweile über 500 beteiligten Unternehmen und anderen Organisationen, deren Ziel es ist, eine weitgehende Standardisierung der im Internet verwandten Protokolle und grundlegenden Verfahren sicherzustellen.
Die in den verschiedenen Gruppen des W3C erarbeiteten und empfohlenen Standards wurden dabei in der Vergangenheit stets kostenlos unter der "W3C Software Notice and License" freigegeben. Dieses Privileg der kostenfreien Nutzung setzte das W3C uneingeschränkt auch für solche Standards durch, denen Softwarepatente einzelner Unternehmen zugrunde lagen. Dabei kam es allerdings teilweise zu harten Auseinandersetzungen innerhalb der Standardisierungsprozesse; beteiligte Firmen hatten sich für die Durchsetzung der von ihnen entwickelten Techniken im Rahmen der W3C stark gemacht, um dann am Ende des Standardisierungsprozesses bestehende Patentansprüche bekannt zu geben.

Um die Spannungen zwischen den optimalen Voraussetzungen einer Standardisierung einerseits und den kommerziellen Interessen der Inhaber von Softwarepatenten andererseits in sachgerechter Weise aufzulösen, hatte daraufhin die PPWG im August das sogenannte."W3C Patent Policy Framework" vorgelegt:
Im Mittelpunkt des Patent Policy Framework steht dabei zwar nach wie vor das Bestreben, die lizenzgebührenfreie Nutzung von technischen Standards im Internet so weit wie möglich zu erhalten, gegebenenfalls soll jedoch auch eine Gebührenpflichtigkeit patentierter Internetstandards hingenommen werden, so lange sich die Patentinhaber auf eine "angemessene und diskriminierungsfreie" Lizenzierung beschränken. Dabei soll die Entscheidung, ob die zum Standard erklärten patentierten Verfahren kostenfrei oder zu "angemessenen" Bedingungen lizenziert werden, beim W3C verbleiben. Zur Vorgehensweise kündigte die PPWG an, dass Patente, die grundsätzliche Infrastrukturen ("lower-layer infrastructure") beträfen, kostenfrei für jedermann lizenziert werden sollten, während bei Techniken einer höheren Ebene ("higher-layer infrastructure") auch eine Lizenzierung zu "angemessenen" Bedingungen in Betracht kommen solle.
Um Sicherzustellen, dass die Entscheidung durch die verschiedenen technischen Arbeitsgruppen des W3C über die Einbindung patentierter Techniken in einem von vornherein sachlichen und offenen Diskurs erfolgt, sieht das Patent Policy Framework vor, die Mitglieder der W3C dazu zu verpflichten, bestehende Patentansprüche und erfolgte Patentanmeldungen bereits am Anfang der Standardisierungsprozesse in den jeweiligen Arbeitsgruppen offenzulegen. Darüber hinaus müssen sich die Beteiligten entweder der Entscheidung des W3C über die Verpflichtung zur kostenfreien oder "angemessenen" Lizenzierung ihrer Patente unterwerfen oder die geschützte Technik aus dem Verfahren herausnehmen.

Die PPWG hatte mit Veröffentlichung des Patent Policy Framework um Stellungnahmen interessierter Kreise zunächst bis zum Oktober gebeten. Hier zeigte sich, dass insbesondere von Seiten der Befürworter Freier Software massive Bedenken gegen die vorgeschlagene Regelung bestanden; es wurden Befürchtungen geäußert, die Möglichkeit einer gebührenpflichtigen Lizenzierung würde gerade die zahlreichen nichtkommerziellen Projekte im Internet hart treffen. Aber auch von Seiten der Softwareindustrie, insbesondere von den Unternehmen Apple und Hewlett Packard wurde hart interveniert. Die zahlreichen Eingaben ließen es offensichtlich angezeigt erscheinen eine neue Runde in der Diskussion um das künftige Vorgehen bei der Standardisierung patentierter Verfahren einzuleiten.

Tatsächlich scheint eine gehörige Portion Skepsis gegenüber dem von der PPWG vorgelegten Patent Policy Framework angebracht:
Zwar verdient die von der W3C vorgesehene Verpflichtung ihrer Mitglieder, bestehende Patentansprüche und erfolgte Patentanmeldungen umgehend in den betreffenden Arbeitsgruppen des W3C anzuzeigen, sicherlich uneingeschränkte Unterstützung. Eine solche Verpflichtung stellt sicher, dass Schlüsselentscheidungen am Anfang eines Standardisierungsprozesses auf der Basis einer bestmöglichen Information aller Beteiligten erfolgen können. Insbesondere wird so auch die rechtzeitige Suche nach geeigneten "freien" Verfahrensalternativen ermöglicht. Den Patentinhabern wird die Möglichkeit genommen, am Ende eines Standardisierungsprozesses, wenn vielfach ein hoher Entscheidungsdruck im Hinblick auf eine zügige Umsetzung besteht, ihre Patente aus der Tasche zu zaubern.
Hingegen wird man durchaus tiefgreifende Zweifel an der hinter dem Patent Policy Framework stehenden Idee einer möglichen entgeltlichen Lizenzierung von Standards haben dürfen. Denn berücksichtigt man, dass das W3C mit seinen Entscheidungen gerade die Standardisierung grundlegender zentraler Kommunikationsverfahren vorantreibt, so scheint schon von vornherein nicht ohne weiteres einsichtig, warum gerade hier überhaupt Raum für "Bezahlstandards" bestehen soll: Möchten Unternehmen (u.U. auch gemeinsam) mit der entgeltlichen Lizenzierung von Kommunikationspatenten Gewinne erwirtschaften, so können und sollen sie dieses gerne ohne Mithilfe des W3C auf dem „freien Markt" versuchen (übrigens mit allen kartellrechtlichen Konsequenzen). Die Realisierung von Monopolprämien in derart zentralen Punkten wie der Regelung grundlegender Kommunikationsverfahren demgegenüber durch Einschaltung einer Standardisierungsorganisation voranzutreiben, erscheint jedoch - vorsichtig ausgedrückt - fragwürdig