Werke der Fotografie und Grenzen von Creative Commons-Lizenzen

Von Benjamin Roger
 
Man könnte die Kritik des Fotografen Dan Heller (1., 2. Teil) an CC-Lizenzen als Einzelmeinung abtun, stünde nicht derzeit die Klage gegen CC sowie Virgin Mobile vor einem texanischen Gericht im Raum (vgl. Nachricht der Woche vom 01.10.2007). Heller moniert nämlich, unter anderem, die häufige Verletzung von Persönlichkeitsrechten derjenigen Personen, die auf CC-lizenzierten Fotos zu sehen sind, was Gegenstand des besagten Gerichtsverfahrens ist. Weiter will Heller zeigen, dass unter CC stehende Fotos in erhöhtem Maße das Risiko von Urheberrechtsverletzungen bergen würden. Beide Punkte werfen Fragen auf, die von allgemeiner Bedeutung für Creative Commons-Lizenzen sind: was können und sollen diese Lizenzen regeln? Bedeutet die Nutzung von CC-lizenziertem Material ein erhöhtes Risiko von Rechtsverletzungen, und wenn ja: ist dieses in den Lizenzen selbst veranlagt? Schließlich: wie verteilt sich besagtes Risiko zwischen den Akteuren (Urheber, Lizenzgeber, Lizenznehmer)?

Hintergrund:

Zu Beginn seiner Kritik stellt Heller fest, dass Copyright-Lizenzen für unterschiedliche Werke nicht unbedingt gleichermaßen geeignet seien; sodann beschränkt er sich auf den Bereich der Fotografie, für welchen ihm CC-Lizenzen ungeeignet erscheinen. Soweit die professionelle Fotografie betroffen ist, mag man der Argumentation folgen: Heller entwickelt Kriterien der Geeignetheit für CC-Lizenzen, von denen vor allem die Komplexität und Erweiterbarkeit eines Werkes überzeugend erscheinen: sei ein Werk wenig komplex und wenig erweiterbar (wie ein Foto), könne der Urheber wenig Nutzen aus der Weitergabe unter CC-Lizenzen ziehen. Denn sein Nutzen dabei besteht insbesondere in Weiterentwicklungen des Werks durch andere. So sieht Heller CC nicht als tragfähiges Modell für jene, die "mit Fotografie Geld verdienen wollen" (so der Titel eines seiner Bücher).
Zwei weitere Kriterien der "CC-Geeignetheit", auf die Hellers Kritik aufbauen, erscheinen problematischer: die Rechtskenntnis der Nutzer sowie die potentielle Verletzung von Rechten anderer.

1. Urheberrechtsverletzungen
Zunächst führt Heller den Fall an, dass jemand ein Foto unter CC-Lizenz (etwa über Flickr) anbietet, ohne der Urheber zu sein. Dies könne dazu führen, dass Nutzer des Bildes, welche an eine wirksame Lizenz glaubten, sich Ansprüchen des (wahren) Fotografen wegen Urheberrechtsverletzungen ausgesetzt sehen. An dieser Stelle stellt sich naturgemäß die Frage, was das mit der Art der vom angeblichen Urheber eingeräumten Lizenz (CC oder sonstige) zu tun hat. Den Zusammenhang sieht Heller darin, dass Fotos unter CC-Lizenz in großen Mengen von (rechtsunkundigen) Amateuren eingestellt werden, und Dienste wie Flickr keinerlei Kontrolle über die Urheberschaft ausüben. Mit anderen Worten läge das Problem bei der Art der Entstehung und Verbreitung von Amateurfotografien, nicht in der Lizenz selber. Es ist nicht ersichtlich, dass CC-Lizenzen im Verhältnis zu anderen, oder zur schlichten Kennzeichnung als "gemeinfrei", dieses Problem - so es überhaupt eines ist - verschärfen würden. Lizenzen, ob CC oder andere, können das Urheberrecht des Lizenzgebers nicht regeln, sondern setzen es vielmehr voraus.

2. Persönlichkeitsrechte
Ein weiteres angebliches Problem im Zusammenhang mit CC-Lizenzen bilden die Persönlichkeitsrechte (auf Fotos abgebildeter) Dritter. In diesem Zusammenhang ist die Frage der Haftung von Creative Commons für die Rechtsverstöße von Nutzern der Lizenz höchst aktuell, weil vor Gericht anhängig (s.o.). CC-Gründer Lawrence Lessig weist in seinem Blog darauf hin, dass die Frage nicht Gegenstand der Lizenzen sei; ihm zufolge dürfte wohl in der Veröffentlichung auf einer Community-Plattform kein Verstoß gegen "privacy rights" zu sehen sein, wohl aber in der Verwendung für eine groß angelegte kommerzielle Werbekampagne. Diese Ansicht stützt sich auf das mutmaßliche Einverständnis der abgebildeten Personen, ist aber in dieser Allgemeinheit fragwürdig: nicht jeder wird bereit sein, Fotos von sich online veröffentlicht zu sehen. Es erscheint daher sehr unsicher, welche Verwendung von einem Bild im Einzelfall gemacht werden darf, sobald darauf Personen abgebildet sind. Dieses Risiko wohnt nun aber jedem Foto inne, gleich unter welcher Lizenz es steht. Entscheidend ist vielmehr der jeweilige Urheber bzw. Lizenzgeber: professionelle Fotografen - die aus den oben genannten Gründen kaum CC-Lizenzen nutzen werden - tragen Sorge dafür, dass ihre Modelle in die Veröffentlichung einwilligen. So scheint es plausibel, dass unter CC-Lizenzen stehende Fotos häufiger Konflikte mit Persönlichkeitsrechten bergen. Und nimmt es nicht Wunder, wenn Kommerzielle Nutzer weiterhin professionelle Fotografen bzw. Agenturen bevorzugen; erstaunlich ist eher, dass Virgin Mobile in dem oben genannten Fall, offenbar völlig sorglos, ein Amateurfoto von einer online-Plattform verwendet hat. Auch hier aber moniert Dan Heller etwas, das nicht den CC-Lizenzen selbst innewohnt, sondern dem Verhalten der Nutzer, die auf solche Lizenzen typischerweise zurückgreifen.
Die Schaffung einer neuen CC-Lizenz, welche die Übertragung von Persönlichkeitsrechten regelt, könnte vor diesem Hintergrund eine Bereicherung sein. Wie Lessigs Blog-Eintrag zu entnehmen ist, hat man bei Creative Commons bereits darüber nachgedacht. Allerdings muss eine solche Regelung die abgebildeten Personen, Träger der Persönlichkeitsrechte, einbeziehen, und können nicht allein im Vertrag zwischen Urheber und Lizenznehmer geregelt werden. Dieser Lizenzvertrag kann bestenfalls das Problem aufzeigen und so das Bewusstsein für die Problematik schärfen.

3. Risikoverteilung; Haftungsausschlüsse
Praktisch von besonderem Interesse ist die Frage, wer die besagte Risiken zu tragen hat. Angenommen, ein Unternehmen verwendet das Bild eines Hobbyfotografen zu Werbezwecken, das dieser unter einer CC-attribution-Lizenz auf seiner Webseite veröffentlicht hat, und es stellt sich heraus, dass das besagte Bild a) das Werk eines anderen ist, oder b) eine Person abbildet, die von einer kommerziellen Nutzung nicht weiß und damit nicht einverstanden ist. Das Unternehmen haftet in Fall a) dem wahren Urheber, in Fall b) der abgebildeten Person gegenüber (ohne dass darauf hier im Einzelnen eingegangen werden kann). Haftet aber der Fotograf seinerseits gegenüber dem Unternehmen?
Dagegen könnte im Fall a) der Haftungsausschluss sprechen, der in CC-Lizenzen enthalten ist (etwa Ziffer 5 der attribution-Lizenz: "keine Gewährleistung für die erteilten Rechte"). Allerdings sind die Lizenzen, wie auch Open Source-Lizenzen, zumindest nach deutschem Recht als allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren und unterliegen der strengen Kontrolle der §§ 305 ff. BGB. Danach dürfte ein so weitgehender Haftungsausschluss für das Bestehen der Nutzungsrechte - Kern des Lizenzvertrags! - unzulässig sein (sei es nach § 309 Nr. 8 b) aa) oder § 307 Abs. 2 Nr. 1). Qualifiziert man aber die kostenlose Überlassung als Schenkung, oder wendet "jedenfalls" deren Regeln entsprechend an (vgl. GPL-Kommentar zu Ziffer 11 u. 12 [pdf], insb. S. 141, zur entsprechenden Problematik bei Open Source-Software), so wäre die Haftung ohnehin auf Arglist beschränkt (§ 523).
Im Fall b) stellt sich bereits die Frage, ob der Fotograf für das hier in Frage stehende Persönlichkeitsrecht haftet: denn dieses ist vom Urheberrecht strikt zu trennen und steht nur der abgebildeten Person zu. Mangels einer Regelung im Vertrag ist nicht ersichtlich, warum der Urheber für etwas einstehen sollte, das er nicht versprochen hat. Vielmehr ist es Sache des Lizenznehmers, zu prüfen, ob die beabsichtigte Nutzung mit dem Persönlichkeitsrecht abgebildeter Personen kollidieren könnte.

Fazit
Fotos, welche unter CC-Lizenzen stehen, mögen ein erhöhtes Risiko von Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen bergen; das aber ist durch die vorwiegend nicht-professionelle Nutzung bedingt und liegt außerhalb dessen, was ein Lizenzvertrag regeln könnte. Die besagten Risiken lasten weitgehend auf dem Lizenznehmer/Verwender, was dem Zweck des (nach AGB-Recht unwirksamen) Haftungsausschlusses und auch der Gerechtigkeit entspricht - denn dieses Risiko bildet das Gegenstück zur kostenlosen Überlassung.

Zu den aktuell anhägigen Gerichtsverfahren gegen Creative Commons vgl. auch den Beitrag von Mantz in GRUR Int. 2008, 20 ff.