Wikipedia ab 15.06.2009 unter CC-BY-SA – Einzelheiten der juristischen Abwicklung ungeklärt

Von Prof. Dr. Axel Metzger
 
Die Wikimedia Foundation hat die Ergebnisse einer Abstimmung der Wikipedia-Autoren zur künftigen Lizenzpolitik mitgeteilt. Danach haben sich 17.462 registrierte Mitglieder an der Abstimmung beteiligt. 75,8 % stimmten für die künftige Doppellizenzierung aller Wikipedia-Inhalte unter der Creative Commons-Lizenz „Attribution-ShareAlike“ (CC-BY-SA). 10,5 % stimmten gegen den Wechsel der Lizenzstrategie und 13,7 % äußerten sich mit „keine Meinung zu dem Wechsel“. Ab dem 15.06.2009 sollen alle bisher unter der GNU Free Documentation License (GNU FDL) erhältlichen Wikipedia-Inhalte, das sind vor allem die Texte der Online-Enzyklopädie aber auch andere Inhalten, parallel unter der GNU FDL und der CC-BY-SA erhältlich sein.

Hintergrund:

Der Lizenzwechsel ist in zweifacher Hinsicht von Interesse. Erstens wirft die juristische Abwicklung der Relizenzierung der Online-Enzyklopädie Fragen auf. Zweitens ist die Tendenz zu zentralen Entscheidung innerhalb der Wikipedia-Community bemerkenswert.
Hinsichtlich der rechtstechnischen Abwicklung scheint die Wikimedia-Foundation auf den ersten Blick auf der sicheren Seite zu sein. Die erst Ende 2008 novellierte GNU FDL Version 1.3 sieht in Ziffer 11 in wenig verklausulierter Form die Möglichkeit einer Relizenzierung von GNU FDL-Inhalten in „Massive Multiauthor Collaboration Sites“ unter der CC-BY-SA vor (vgl. ifrOSS-NDW v. 10.11.2008). Diese Klausel findet auch auf Inhalte Anwendung, die unter einer früheren Version der GNU FDL lizenziert waren, da die GNU FDL eine Klausel enthält, welche den Wechsel zu neueren Lizenzversionen ausdrücklich gestattet (Ziffer 10, „any later version“). Die neue GNU FDL liest sich deshalb wie eine Einladung an die Wikimedia Foundation, nunmehr alle alten Wikipedia-Texte auch unter der CC-BY-SA anzubieten. Der Schönheitsfehler dabei ist, dass die Wikimedia-Foundation trotz der geänderten Klausel in der GNU FDL und trotz des klaren Mehrheitsvotums nicht Inhaber der Urheberrechte oder der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Beiträgen der Autoren ist. Vielmehr gewähren diese der Wikimedia-Foundation bislang nur einfache Nutzungsrechte auf Grundlage der GNU FDL. Deshalb sind es bei nüchterner Betrachtungsweise allein die Autoren, welche eine entsprechende Relizenzierung vornehmen können. Die Wikimedia-Foundation wäre hierzu nur in der Lage, wenn die Autoren sie hierzu ermächtigt hätten. Dies kann aus einer Änderung der GNU FDL oder einem Online-Poll aber nicht gefolgert werden.
Trotz dieser rechtstechnischen Probleme ist der Wunsch der Wikipedia-Macher nachvollziehbar, jedenfalls in so wichtigen Fragen wie der verwendeten Lizenz und der Kompatibilität der einzelnen Wikidpedia-Inhalte einheitliche Entscheidungen herbeiführen zu wollen. Die nach wie vor nicht vollzogene Migration der Kernelmodule von GNU/Linux zur GNU General Public License Version 3 zeigt, wie schlecht sich die Lizenzfrage als Zankapfel bei Konflikten innerhalb freier Communities eignet. Wie in dezentralen Gemeinschaften wie den Wikipedia-Autoren oder den Linux-Entwicklern zentrale Entscheidungen juristisch durchgesetzt werden können, ist gegenwärtig aber eine weitgehend offene Frage.