Analyse der Entscheidung LG Berlin 8.11.2011 - AVM/Cybits von T. Kreutzer erschienen

von Prof. Dr. Axel Metzger
 
In der Märzausgabe der Fachzeitschrift "Computer und Recht" ist eine eingehende Fallbesprechung des Urteils des LG Berlin vom 8.11.2011 in Sachen AVM/Cybits aus der Feder von ifrOSS-Mitglied Dr. Till Kreutzer erschienen (CR 2012, 146-152). Das LG Berlin hatte entschieden, dass AVM keine urheber- oder markenrechtlichen Ansprüche gegen die Modifikation der unter GPL stehenden Software seiner Fritz!Box-Router geltend machen kann (siehe die NdW vom 29.11.2011). Das Gericht ging dabei davon aus, dass der Klägerin an der Firmware ein Urheberrecht an einem Sammelwerk gem. § 4 Abs. 1 UrhG zustehe, dass wegen der Copyleft-Klausel aber keine Verbotsansprüche geltend gemacht werden könnten, weil die Firmware insgesamt nur nach den Bestimmungen der GPL verbreitet werden dürften. Kreutzer hält die Begründung der Entscheidung für nicht überzeugend:

Zunächst stößt sich Till Kreutzer an der etwas lapidaren Einordnung von Firmware als Sammelwerk, wie sie das LG Berlin vorgenommen hat. Nach Kreutzer handelt es sich bei Firmware nicht ohne Weiteres um ein Sammelwerk. Dementsprechend sei eine Firmware als solche – anders als ihre einzelnen Komponenten – auch nicht gegen Änderungen durch Dritte geschützt. Dies gelte zunächst unabhängig davon, ob in der Firmware auch GPL-Komponenten enthalten sind und wie sie in das Gesamtprodukt implementiert wurden.
 
Kritisch bewertet wird auch die Auslegung der Copyleft-Klausel durch das Gericht: Nach Kreutzer gibt es keinen Grundsatz, nach dem eine Firmware generell und im Ganzen durch hierin enthaltene GPL-Komponenten „infiziert” wird. Ob der Copyleft-Effekt der GPL greife und welche Bestandteile einer Firmware er gegebenenfalls erfasse, sei Frage des Einzelfalls. Dies hänge allem voran von der inhaltlichen (Un-)Abhängigkeit der Eigenentwicklungen von den GPL-Komponenten sowie davon ab, ob der Nutzer die einzelnen Bestandteile der Firmware identifizieren und isoliert nutzen könne.
 
Fazit: Das LG Berlin kommt zum richtigen Ergebnis, kann mit der Begründung der Entscheidung aber nicht vollends überzeugen. Auch wenn man mit Kreutzer daran zweifeln muss, ob es in diesem Fall tatsächlich um ein Sammelwerk ging, bleibt die allgemein zu stellende Frage nach wie vor virulent, ob Copyleft-Klauseln im Fall des Vorliegens eines Sammelwerks durchgreifen oder nicht. Hier liegt Kreutzer richtig mit der wenig befriedigenden Aussage, dass es sich letztlich um eine Frage des Einzelfalls handelt.