Open Source wieder im Koalitionsvertrag

Von: Dr. Olaf Koglin
Open Source Software hat wieder Erwähnung im Koalitionsvertrag gefunden. Im Gegensatz zur ersten Erwähnung im Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung 2002 ("Open-Source-Produkte dürfen nicht benachteiligt werden") heißt es nun auf Seite 94 des schwarz-gelben Koalitionsvertrags:

1. Open Source
"Die Informationstechnik des Bundes bedarf der Konzentration, Standardisierung und Effizienzsteigerung sowie Bündelung vorhandener Ressourcen. Wir werden hierzu den Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik stärken. Wir prüfen, wie die IT des Bundes sich zukünftig an offenen Standards orientieren und dabei auch Open-Source-Lösungen berücksichtigen kann."

Abgesehen von dem Zeichen, Open Source und offene Standards im Koalitionsvertrag zu erwähnen, und der damit dokumentierten positiven Grundeinstellung bedeutet dies freilich wenig Konkretes: Allein das Vorhaben einer Prüfung, ob man sich an offenen Standards "orientieren" kann, ist noch sehr vage. Und ohnehin verwendet die IT des Bundes natürlich ohnehin bereits offene Standards wie TCP/IP und html für ihre Web- und Intranetserver. 

2. Urheberrecht
Konkreter wird es im Bereich des Urheberrechts. Hier will die Bundesregierung "zügig die Arbeit an einem Dritten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Dritter Korb“) aufnehmen." (S. 95 f.)
Inhaltlich stellt der Koalitionsvertrag gleich zu Beginn des urheberrechtlichen Teils die "Schlüsselfunktion" des Urheberrechts "in der modernden Medien- und Informationsgesellschaft" heraus. Diese Schlüsselfunktion soll dem Koalitionsvertrag zufolge offensichtlich hauptsächlich durch Schutz der Rechteinhaber und weniger durch Teilhabe an der Information (jedoch gibt es ein Programm zur flächendeckenden Breitbandversorgung, siehe unten) erfolgen:

 

  • "Wir werden das Urheberrecht deshalb entschlossen weiterentwickeln, mit dem Ziel ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durchsetzbarkeit des Urheberrechts zu gewährleisten."
  • "Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein. Wir werden deshalb unter Wahrung des Datenschutzes bessere und wirksame Instrumente zur konsequenten Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet schaffen. Dabei wollen wir Möglichkeiten der Selbstregulierung unter Beteiligung von Rechteinhabern und Internetserviceprovidern fördern."
  • "Der Schutz durch das Urheberrecht ist eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung und für die Verwertung kreativer Leistungen. Wir wollen deshalb Maßnahmen unterstützen, die das gesellschaftliche Verständnis für die Bedeutung des Urheberrechts und den Respekt vor fremdem geistigem Eigentum fördern."

Auch heißt es "Wir werden keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen." Dies kann so interpretiert werden, dass die Bundesregierung in dieser Hinsicht selbst nicht aktiv tätig werden wird, aber Initiativen von anderer Seite - namentlich seitens der EU - auch nicht mit Nachdruck entgegentreten wird.

Interessant ist vor dem Hintergrund der Streitigkeiten um Google News die "Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet" und "die Schaffung eines europäischen Wahrnehmungsrechts", für die die neue Bundesregierung sich einsetzen will. Damit könnte eine weitere Verwetungsgesellschaft wie die GEMA oder die VG Wort entstehen, die für die Verwertung von Nachrichten im Internet zuständig ist. Zur Begründung schreibt der Koalitionsvertrag: "Das System der Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften mit effizienten und transparenten Strukturen hat sich bewährt. Wir wollen, dass die europaweite Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften in Bezug auf Online-Nutzungen erleichtert wird. Wir werden uns deshalb für einsetzen."

3. Internetsperren

Eine klare Aussage und vor allem eine deutliche Umkehr gibt es beim viel kritisierten Gesetzesentwurf zur Sperrung von Kinderpornografie, dem Zugangserschwerungsgesetz:

"Wir sind uns darüber einig, dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Wir werden daher zunächst für ein Jahr kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht sperren. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Providernetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornographischer Seiten betreiben."

Hier ist eine Neuausrichtung der Regierung durch die FDP wohl am schärfsten zu erkennen: Das von der CDU-Ministerin von der Leyen forcierte "Zugangserschwerungsgesetz", dessen Entwurf erst im April vom Kabinett der großen Koalition verabschiedet wurde, ist - zumindest für ein Jahr - vom Tisch. 

4. Flächendeckendes Internet

Die Bedeutung des Internet und der Zugang für breite Teile der Bevölkerung hat für die neue Bundesregierung - laut Koalitionsvertrag - große Bedeutung: "Eine flächendeckende Breitbandversorgung gehört für uns zur Daseinsvorsorge. Moderne Kommunikationsnetze schaffen verstärkten Zugang zu Informationen und damit mehr wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität. Für die Entwicklung von Industrienationen sind sie daher entscheidend. Wettbewerb, Regulierung und Kooperation sind die maßgeblichen Säulen für eine zügige Umsetzung der Breitbandstrategie."

Zur Verbesserung der Versorgung nennt die Bundesregierung sechs Maßnahmen (siehe im Einzelnen S. 96 f.), "um die bislang noch nicht versorgten ländlichen Gebiete Deutschlands flächendeckend mit leistungsfähigem Breitband zu erschließen und gleichzeitig den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen zu beschleunigen."

5. Resume

Nun ist es müßig, bei einem Koalitionsvertrag, der in wenigen Wochen zusammengeschrieben wurde, immerzu das Fehlen von konkreten Aussagen zu geißeln. Immerhin gibt es bei der Zugangserschwerung eine eindeutige Aussage und vor allem eine Umkehr, die die Union im Hinblick auf ihre Konstanz und Glaubwürdigkeit geschmerzt haben dürfte - und die auf erfreuliche Weise zeigt, dass die Union für Kritik offen ist (oder zumindest die FDP hier überzeugen konnte). Vielleicht hängt dies auch damit zusammen, dass Kanzlerin Merkel kurz nach den Wahlen äüßerte, man müsse sich mit dem beachtlichen Wahlerfolg der Piratenpartei auseinandersetzen.

Im Bereich der anstehenden Urheberrechtsreformen wird es, wie ohnehin geplant, den dritten Korb geben, bei dem neben den altbekannten Themen (u.a. dem Verlangen nach immer weiterem Schutz und stärkeren Durchsetzungsrechten der Rechteinhaber) auch Themen wie Verwertungsgesellschaften, Google News und sicherlich auch Google Books einfließen werden.

Das ifross freut sich, diesen Prozess - wie seit beinahe einem Jahrzehnt - wieder zu begleiten.

 
 
 
 
 
 

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