Auswertungspflicht bei Übersetzungsverträgen

Von Carsten Schulz
 
Der u.a. für das Urheber- und Verlagsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Urteil vom 17. Juni 2004 (I ZR 136/01) unter anderem auch zur Auswertungspflicht eines Verlages bei Übersetzungen entschieden. Im konkreten Fall kam der BGH dabei zu dem Ergebnis, dass die Auslegung der Vorinstanz, die von einer Auswertungspflicht ausgegangen war, nicht zu beanstanden sei (vgl. dazu die Pressemitteilung des BGH).
Das Urteil stellt eine deutliche Stärkung der Rechte der Übersetzer dar. Es zeigt aber zugleich auch deutlich, dass urheber- und urhebervertragsrechtliche Fragen stets differenzierziert zu betrachten sind. Ähnliche Entscheidungen wie sie hier für die Übersetzung literarischer Werke gefunden wurden, sind beispielsweise für den Softwarebereich aufgrund des Fehlens sondergesetzlicher Regelungen und der deutlich abweichenden Interessenlage nicht denkbar.

Hintergrund:

Der beklagte Verlag hatte in den Jahren 1995 bis 1998 mit der Klägerin -- einer erfahrenen Übersetzerin -- mehrere Verträge geschlossen, in denen sich die Übersetzerin verpflichtete, fünf Werke eines bestimmten italienischen Autors ins Deutsche zu übersetzen. Die Verträge enthielten keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob der Verlag verpflichtet sein solle, die Bücher auch wirklich in der Übersetzung der Klägerin erscheinen zu lassen.
Nachdem bereits drei der fünf Werke erschienen waren und auf dem Markt einen außergewöhlichen Erfolg hatten, teilte der Verlag der Übersetzerin unter anderem mit, dass er die bisher nicht erschienenen Übersetzungen der Klägerin nicht mehr veröffentlichen wolle. Vielmehr wolle der Verlag die Werke von Dritten neu übersetzen lassen.
Mit ihrer Klage wollte die Klägerin daraufhin erreichen, dass auch die zwei verbliebenen Exemplare in der Übersetzung der Klägerin erscheinen. Aufgrund einer Auslegung der Übersetzungsverträge kam der BGH dabei zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ein Erscheinen der Werke tatsächlich verlangen könne. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Übersetzungsverträge als Verlagsverträge ausgelegt habe, die dem Verleger eine Auswertungspflicht auferlegten. Zwar habe der Verlag ein Interesse, über die Verwendung einer Übersetzung, die den Erfolg des übersetzten Werks nachhaltig beeinflussen könne, frei zu entscheiden. Bei Verträgen über die Übersetzung literarischer Werke sei jedoch auch das erhebliche Interesse der Übersetzer zu berücksichtigen, dass die von ihnen erstellte Übersetzung auch wirklich erscheine. Unter diesen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, daß derartige Übersetzungsverträge im Zweifel sogenannte Bestellverträge seien, also Verträge, die dem Verleger keine Auswertungspflicht auferlegen.