Diskussion um Rechtsnatur der GPL - "License" oder "Contract"?

Von Dr. Till Jaeger
 
Auf der Website "Groklaw" wird derzeit eine angeregte Diskussion über die Rechtsnatur der GPL nach US-amerikanischem Recht geführt. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die GNU General Public License (GPL) als "License" oder "Contract" im Sinne des US-amerikanischen Rechts anzusehen ist. Bedeutung kommt dieser Unterscheidung deswegen zu, weil sich die Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen bei der Verletzung von "Contracts" nach dem "contract law" richten, das kein Bundesrecht ist und sich daher in den Bundesstaaten der USA unterscheidet. Für die Wirksamkeit und die Folgen bei einem Verstoß gegen eine "License" ist hingegen auf das "copyright law" abzustellen, das für die USA einheitlich im US Copyright Act geregelt ist.

Hintergrund:

Unter einer "License" wird die Gewährung einer Nutzungserlaubnis durch einen "Eigentümer" verstanden. Ohne eine solche Nutzungserlaubnis wird das Copyright oder das Patent des "Eigentümers" verletzt ("infringement"). Entscheidendes Merkmal für einen "Contract" ist, dass die Vertragsparteien gegenseitige Verpflichtungen eingehen. Daher sind wohl viele der in der Praxis üblichen "License Agreements" als "Contracts" anzusehen, weil sie nicht die Nutzung von Urheberrechten zum Gegenstand haben, sondern den bloßen Benutzer einer Software zu Beschränkungen verpflichten sollen oder zusätzliche Pflichten auferlegen. Verletzungen können dann als "breach of contract" verfolgt werden.
Nach Auffassung von Prof. Eben Moglen, der die GPL wesentlich mitgestaltet hat, ist die GPL als bloße "License" anzusehen. Sie räume dem Lizenznehmer Rechte ein, die ansonsten ausschließlich dem Copyright-Inhaber zukämen, nämlich das Vervielfältigen, Verbreiten und Verändern der Software. Allerdings müsse sich der Lizenznehmer an eine Reihe von Bedingungen halten, da ansonsten seine Nutzungserlaubnis wieder entfallen könne. Die GPL knüpfe an die Einräumung der Nutzungsrechte aber keine (gegenseitigen) Verpflichtungen des Lizenznehmers, so dass kein "Contract" vorliege. Bezweifelt wird diese Auffassung von Stimmen, die in den "Bedingungen" der GPL Verpflichtungen im Sinne des contract law sehen.
Im deutschen Recht gibt es keine Unterscheidung, die der Abgrenzung zwischen "Contract" und "License" entsprechen würde. Jede Lizenzierung ist zugleich auch ein Vertrag, da nach deutschem Zivilrecht keine gegenseitigen Verpflichtungen erforderlich sind, um die Voraussetzungen für einen Vertrag zu erfüllen. Daher ist auch eine Rechtseinräumung ohne Gegenleistung als Vertrag anzusehen. Allerdings wird nach dem Trennungsprinzip zwischen dem schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft und der eigentlichen (sachenrechtlichen) Rechtseinräumung differenziert. So wird durch die GPL ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt, also unmittelbar ein sachenrechtlicher Vertrag abgeschlossen. Der schuldrechtliche Geltungsgrund ist dafür in der Regel eine Schenkung. Diese Unterscheidung ist weniger für das anwendbare Recht von Relevanz - sowohl das Urheberrechtsgesetz als auch das Schuldrecht ist Bundesrecht - als für die Frage, wie Folgeaspekte zu behandeln sind (Haftung, Gewährleistung) und wer als der jeweilige Vertragspartner anzusehen ist. Insoweit bestehen wohl nach deutschem Recht geringere Abgrenzungsprobleme als im US-amerikanischem Recht. Dennoch wird auch nach deutschem Recht im neuen Jahr wieder eine Reihe von spannenden Rechtsfragen zur Diskussion anstehen. Das ifrOSS möchte dafür ein Forum bieten und wünscht allen Interessierten alles Gute für 2004.