Abgaben oder Kontrolle?

Von Till Kreutzer
 
Wie geht es weiter mit der Freiheit, für private Zwecke Kopien von urheberrechtlich geschütztem Material anfertigen zu können? Die Antwort hierauf ist nicht zuletzt in der Lösung des Streits um die Urheberrechtsabgaben zu suchen. Ohne Abgaben keine Freiheit. Der Traum von der kontroll- und kostenlosen Nutzung von Filmen‚ Musik und Dokumenten wird sich nicht - auch nicht in weiter Zukunft - verwirklichen. Das hat auch seinen Grund: die Schöpfer dieser Inhalte handeln nicht aus rein idealistischen Beweggründen, sondern wollen hiervon häufig auch finanziell profitieren. Wer würde es ihnen verdenken? Die Frage ist nur, ob Kontrolle und Vergütung notwendigerweise zusammenhängen müssen. Hierüber bestehen grundlegende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Inhalts- und Technologieproduzenten einerseits und den Verwertungsgesellschaften andererseits (siehe hierzu die Nachricht der Woche vom 3.6.2002). Die Ansicht der eigentlichen Rechtsinhaber, also der Urheber und Künstler liegen oft im Dunkeln und scheinen zumindest uneinheitlich. 
Neben der elementaren Diskussion über die Frage, ob die Privatkopie mit ihrem System der mittelbaren Vergütung der Rechtsinhaber noch zeitgemäß ist oder gegen eine Kontrolle durch technische Schutz- und Abrechnungsmechanismen ersetzt werden sollten oder müssen, ist eine erbitterte Auseinandersetzung über die Neueinführung von Abgaben und deren Höhe entbrannt. Ein Streit, der keinem dient!

Hintergrund:
Das Urheberrechtsgesetz sieht in § 53 vor, dass die Vervielfältigung zu privaten Zwecken, von der Notwendigkeit, sich vom Rechtsinhaber eine Erlaubnis zu holen, frei sein soll. Hierdurch wird ein Freiraum geschaffen, der nach den Grundsätzen des deutschen Rechts nicht unkompensiert bleiben darf. Das Urheberrechtsgesetz sieht daher vor, dass die Urheber und Verwerter für die freie Nutzung durch die Geräte- und Leermedienabgaben entschädigt werden. Diese Abgaben werden von den Verwertungsgesellschaften (z.B. GEMA, VG Wort) eingesammelt und dann nach komplizierten Verteilungsschlüsseln ausgeschüttet. Durch dieses System der „mittelbaren Vergütung“ der Rechtsinhaber wird ein multibel wirkender positiver Effekt erzeugt. Zum einen müssen die Nutzer nicht überwacht werden und zum anderen bekommen die Rechtsinhaber Vergütungen, die sonst nicht realisierbar wären, da die Nutzung im privaten Bereich bislang kaum kontrollierbar ist.
Die System der Leermedien- und Geräteabgaben krankt allerdings daran, dass die Sätze gesetzlich festgelegt werden müssen. Ein Mechanismus, der angesichts des sich drastisch und schnell ändernden Nutzerverhaltens und dem Aufkommen von neuen Kopiertechnologien, allzu schwerfällig erscheint. So sind denn auch die Abgaben seit 1985 nicht geändert worden; für eine Stunde Tonträgerlaufzeit beträgt diese, gleich ob qualitativ minderwertige Audio-MC, DAT oder CD-Audio, lediglich 6,4 Cent. Dass dieser Wert keine adäquate Gegenleistung für die so erworbene Nutzungsfreiheit darstellt, dürfte mittlerweile niemand mehr bestreiten. Auch dass auf CD-Brenner und andere Kopiervorrichtungen gar keine Abgaben erhoben werden, widerspricht ganz offensichtlich dem Gedanken der gesetzlichen Regelungen.
Dennoch ist es den Verwertungsgesellschaften nicht gelungen, mit dem Branchenverband der IT-Hersteller BITKOM eine einvernehmliche Einigung zur Anhebung der Vergütungen auf 18 Cent oder der Anwendung der Vergütungspflicht auf CD-Brenner zu erzielen. Trotz erheblicher Bemühungen auch seitens der Politik, z.B. durch die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin, wehren sich die Technikhersteller mit Händen und Füßen gegen die Anpassung. Ganz verständlich ist dies nicht. Immerhin werden diese erhöhte Vergütungsforderungen 1:1 an ihre Kunden weitergeben. Wahrscheinlich wird eine noch größere Zurückhaltung der Konsumenten bei dem Kauf elektronischer Geräte befürchtet. Statt dessen sollen die Rechtsinhaber auf den flächendeckenden Einsatz von DRM-Systemen verwiesen werden. Die individuelle Erfassung und Abrechung sei im Zeitalter der digitalen Nutzung möglich und nur legitim.
Neben der Frage, ob die Kontroll- und Einzelabrechnungslösung mittels der verfügbaren DRM-Techniken realisierbar erscheint, sollte eines bedacht werden: Digital Rights Management kostet viel Geld, das weder kleine Plattenverlage noch selbstproduzierende Künstler zur Verfügung haben. Ein Wegfall der pauschalen Vergütung würde für diese und andere Beteiligte bedeuten, dass die Einnahmen gänzlich ausfallen. Dadurch werden die mannigfaltigen Möglichkeiten der Selbstvermarktung im Online-Bereich wenn nicht gleich im Keim erstickt, doch erheblich beeinträchtigt. Diese Folge ist ebenso wenig im Sinne des Gesetzgebers wie es dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht.
Es kann daher nur dringend empfohlen werden, das Konzept der Urheberrechtsabgaben vor allem im Hinblick auf die Festsetzung der Vergütungssätze hin zu überprüfen und die Abgaben so anzuheben, dass Vor- und Nachteile der Privatkopie auch für die Berechtigten wieder im Gleichgewicht stehen. Schließlich dient dies auch wieder den Technikherstellern, da deren Absatz von der Vielfältigkeit und Attraktivität der auf den Geräten abspielbaren Inhalten abhängt. Wenn es auch andere Anreize zu kreativem Schaffen gibt als finanzielle, sollte doch eines unbestreitbar klar sein: kein Geld, weniger Kreativität, weniger Kreativität, weniger Bedarf nach Fernsehern, CD-Brennern und DVD-Playern. Die Denklogik und Einfachheit dieser Formel sollte ausreichen, die verfeindeten Parteien wieder an den Verhandlungstisch zurückzubringen und die IT-Hersteller zu der Erkenntnis gelangen lassen, dass Widerstand gegen Reformvorhaben in diesem Bereich eher kontraproduktiv ist.