Von: Stefan Labesius
Mit eindeutigen Worten hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 6. Dezember 2007 Az. I ZR 94/05 – Drucker und Plotter) zum Umfang der Vergütungspflicht für Vervielfältigungsgeräte kritisiert und aufgehoben (Beschl. v. 30. August 2010, Az. 1 BvR 1631/08). Auf die Verfassungsbeschwerde der ursprünglich unterlegenen Klägerin, der VG Wort, beanstandete das BVerfG eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, da die Vorlage einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV durch den BGH nicht erfolgt sei. Das BVerfG missbilligte hierbei vor allem die Tatsache, dass der BGH sich in seiner Entscheidung mit keinem Wort mit den europarechtlichen Vorgaben auseinandergesetzt hatte
Gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 UrhG a.F. besaß der Urheber gegen den Hersteller von Vervielfältigungsgeräten einen Anspruch auf angemessene Vergütung, wenn nach Art des Werkes zu erwarten war, dass dieses durch Ablichtung eines Werkstückes oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigt wird. Kernstreitpunkt des Verfahrens vor dem BGH war die Frage, inwieweit Drucker als Vervielfältigungsgeräte i.S.d. § 54 Abs. 1 S. UrhG a.F. angesehen werden konnten, da diese sind nur in Verbindung mit Computer und Scanner geeignet seien, Vervielfältigungsstücke herzustellen. Der BGH hatte im Ausgangsverfahren angenommen, dass soweit Geräte nur im Zusammenwirken mit anderen Geräten die Funktion eines Vervielfältigungsgeräts erfüllen können, grundsätzlich nicht sämtliche Geräte der Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. unterfallen.
Diese urheberrechtliche Schranke findet allerdings ihre Entsprechung in Art. 5 Abs. 2 lit.a der Richtlinie 2001/29/EG (sog. InfoSoc-Richtlinie). Danach können Mitgliedsstaaten (vergütungspflichtige) Beschränkung vom Vervielfältigungsrecht für Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung vorsehen. Entscheidungserheblich war damit, ob und in welchem Umfang auf Grundlage der InfoSoc-Richtlinie ein „Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ digitalisierte Vervielfältigungsverfahren mittels Zubehör beinhaltet. Mit dieser Frage hatte sich der BGH nicht ansatzweise beschäftigt.
Auch nach der Novellierung im Rahmen des Zweiten Korbes, wonach in § 54 Abs. 1 UrhG n.F. ausdrücklich nun verbundene Geräte und Zubehör von der Vergütungspflicht umfasst sind, bleibt dieser Aspekt interessant. Im Falle einer Vorlage an den EuGH stellt sich zumindest mittelbar die Frage, inwieweit diese Regelung mit denen der InfoSoc-Richtlinie vereinbar sind.
Bemerkenswert ist die Entscheidung des BVerfG im Übrigen aber auch deshalb, weil der Beschluss sich nicht in der Rüge bezüglich der Vorlagepflicht an den EuGH erschöpft. Vielmehr nutzen die Verfassungsrichter die Gelegenheit, zur Ausgestaltung des Urheberrechts durch entsprechende Vergütungsabgaben am Maßstab des Eigentumsrechts gemäß Art. 14 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Stellung zunehmen. Denn soweit eine Vergütungspflicht aus dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitet werden könne, erübrige sich unter Umständen auch eine Vorlagepflicht an den EuGH. So bemängeln sie, dass der BGH keine, am Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG orientierte Verhältnismäßigkeitsprüfung für eine Vergütungspflicht als Ausgleich für eine Einschränkung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte vorgenommen hat. Beispielsweise werden abgestufte Vergütungsentgelte für unterschiedliche Arten von Geräten als milderes Mittel ins Spiel gebracht.
Damit gibt das BVerfG eine konkrete Segelanweisung für das nun zurückverwiesene Verfahren vor. Zwischen den Zeilen hält das Gericht am Maßstab des Urheberrechts als grundrechtliche Eigentumsposition wohl eine umfassendere Vergütungspflicht zumindest für geboten.