CeCILL - neue GPL-kompatible Lizenz in französischer Sprache

Von Dr. Till Jaeger
 
Die drei französischen öffentlichen Organisationen CEA (Commissariat à l'Energie Atomique - Kommissariat für Atomenergie), CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique - nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung) und INRIA (Institut National de Recherche en Informatique et en Automatique - nationales Institut für Forschung der Informatik und Automatik) haben am 5. Juli 2004 mit CeCILL ("Ce=CEA, C=CNRS, I=INRIA, LL=Logiciel Libre" - Contrat de Licence de Logiciel Libre CeCILL) eine erste französische Lizenz für Freie Software vorgestellt. Mit der neuen Lizenz soll die Lizenzierung von Freier Software in einer auf das französische Recht angepassten Form ermöglicht werden. CeCILL ist eine GPL-kompatible Copyleft-Lizenz, der weitere Lizenzen folgen sollen, die französische Entsprechungen zur LGPL, QPL und BSD-Lizenz darstellen.

Hintergrund:

Die Wirksamkeit von Open Source-Lizenzen, die vor dem Hintergrund des US-Rechts geschrieben wurden, ist in Frankreich besonders vehement in Zweifel gezogen wurden (Vgl. Nachricht der Woche vom 04.07.2003). Im Rahmen des französischen staatlichen Programms ADELE (Administration Electronique 2004-2007) soll auch Freie Software entwickelt werden, so dass ein besonderes Interesse der französischen staatlichen Organisationen an einer Lizenz besteht, die auch den Anforderungen des französischen Rechts genügt.
Weltweit haben die aus den USA stammenden Lizenzen GPL (GNU General Public License), LGPL (GNU Lesser General Public License) und BSD (Berkeley Software Distribution) die größte Bedeutung erlangt. Als Verträge können diese Lizenzen auch außerhalb der USA verwendet werden und haben sich als Basis des Modells Freier Software bzw. Open Source Software bewährt, auch wenn einzelne Klauseln nach dem einen oder anderen nationalem Recht unwirksam sein mögen. Mehr als unabhängige Entwickler oder private Unternehmen müssen aber staatliche Organisationen auf Vereinbarkeit mit dem nationalen Recht Wert legen. Da die genannten "klassischen" Lizenzen allenfalls in "inoffiziellen" Übersetzungen vorliegen, nicht aber in nationalen auf das jeweilige Recht angepassten Versionen, überrascht es wenig, dass mit dem zunehmenden Interesse europäischer Staaten an dem Lizenzmodell der Freien Software auch neue nationale Lizenzen entstehen.
Kritisiert werden solche neuen Lizenzen insbesondere deswegen, weil sie zu einer Zersplitterung der freien Entwicklungen führen können und Inkompatibilitäten bei der Kombination von Softwarebestandteilen unter verschiedenen Lizenzen drohen. Die Autoren von CeCILL versuchen diese Gefahren dadurch zu umgehen, dass die Lizenz eine "Öffnungsklausel" für die GPL erhält, die es explizit gestattet, Code unter der CeCILL auch in GPL-Projekten zu verwenden, also eine Form des Dual Licensing unter der CeCILL und GPL beinhaltet. Außerdem liegt CeCILL auch in einer englischen Sprachversion vor, um eine internationale Nutzbarkeit der Lizenz zu ermöglichen - schließlich ist Englisch die lingua franca der Softwarebranche.
Dennoch dürften Lizenzen wie die CeCILL nicht die beste mögliche Lösung für nationale freie Softwareprojekte darstellen. Zum einen stellt sich die Frage nach der juristischen Qualität solcher Lizenzen, die sich immer erst mit der Zeit erweisen muss. So ist die CeCILL zwar in einer verständlichen Form abgefasst, wirft aber auch Fragen auf, etwa warum eine Unterlizenzierung in Article 2 zugelassen wird (dem gegenüber geht die GPL von einer Direktlizenzierung durch die Rechtsinhaber aus, wodurch die Gefahr unwirksamer Rechteketten reduziert wird) oder in Article 5.2. die urheberpersönlichkeitsrechtlich geschützte Anonymität nicht gesichert wird. Zum anderen ist für den internationalen Austausch die Beschränkung auf wenige bereits erprobte Lizenzen wünschenswert. Ein Vorbild ist in dieser Sicht das Projekt iCommons im Rahmen von Creative Commons. Dort werden weltweit auf das jeweilige nationale Recht angepasste Lizenzen geschaffen, die letztlich ein Lizenzmodell international etablieren und eine einfache Handhabbarkeit gewähren sollen (vgl. Nachricht der Woche vom 14.06.2004). Es bleibt abzuwarten, ob die Free Software Foundation (FSF) und ihre Schwesterorganisationen auf ein ähnliches Modell abzielen werden. Dies würde nicht wundern - schließlich gehört der Gründer von Creative Commons, Prof. Lawrence Lessig, auch dem "Board of Directors" der FSF an.