Von Dr. Till Jaeger
Die Europäische Kommission hat am 16. Juli 2008 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verlängerung der Schutzdauer der Leistungsschutzrechte der Interpreten und Tonträgerhersteller vorgelegt. Dabei soll die Schutzfrist von 50 Jahren nach der Aufzeichnung auf einen Tonträger auf 95 Jahre verlängert werden. Damit können die Rechte an Tonaufnahmen aus der Zeit der 50er Jahre und davor nicht erlöschen und die Musiklabels weiterhin daraus Einnahmen erzielen, ohne Konkurrenz durch Drittanbieter zu fürchten.
Hintergrund:
Nachdem bereits 1995 in Deutschland die Rechte der Tonträgerhersteller und Interpreten aufgrund der Vorgaben der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie 93/98/EWG von 25 Jahren auf 50 Jahre verlängert wurde, will die EG den Leistungsschutzberechtigten einen weiteren Nachschlag gönnen. Damit scheint man der US-Gesetzgebungstechnik nachzueifern, die durch den Sonny Bono Copyright Term Extension Act die Dauer des Urheberrechts auf Druck von Walt Disney verlängert hat, um zu vermeiden, dass das Copyright an Walt Disneys Zeichentrickfiguren erlischt. Daher wird das Gesetz auch "Mickey Mouse Protection Act" genannt.
Die Kommission begründet die Gesetzesinitiative mit der wirtschaftlich schlechten Situation der Studiomusiker und anderen Interpreten, für die die Einnahmen aus den Vergütungen der Verwertungsgesellschaften oftmals die wesentliche Einkommensquelle darstelle und die im Alter ein Wegfallen dieser Einnahmen befürchten müssten. Dieser soziale Aspekt dürfte allerdings kaum der bestimmende Grund für die Schutzrechtsverlängerung gewesen sein. Dies zeigt sich schon daran, dass die Schutzrechtsverlängerung die Rechte der Interpreten nur dann betrifft, wenn diese auf einem Tonträger aufgezeichnet wurden. Ansonsten verbleibt es bei einem Schutz von 50 Jahren. Zudem wird auch die Dauer der Rechte der Tonträgerhersteller verlängert, die in Deutschland als Leistungsschutzrecht in § 85 UrhG geregelt sind. Hier dürfte der eigentliche Grund für die Richtlinie liegen, da es einer Verlängerung der Schutzrechte der Tonträgerhersteller, die sich regelmäßig die Rechte der Interpreten übertragen lassen, ansonsten nicht bedurft hätte.
Die Begründung weist dementsprechend auch darauf hin, dass die Musikindustrie durch illegale Internetdownloads erhebliche Umsatzrückgänge zu verzeichnen habe. Um sicherzustellen, dass die Musiklabels auch weiterhin in junge Künstler investieren könnten, müsse sichergestellt werden, dass mehr A&R-Mittel (Artist an Repertoire) zur Verfügung stünden. Hier wird man sich die Frage stellen müssen, warum gerade die A&R-Mittel von zusätzlichen Einnahmen abhängen sollen und inwiefern gerade internationale Musiklabels einer Sondersubvention bedürfen, die von den Nutzern zu finanzieren ist. Entsprechend hatten sich zahlreiche Wissenschaftler in der Bournemouth Statement im Vorfeld sehr kritisch zu der geplanten Schutzrechtsverlängerung geäußert.
Von Interesse sind einige Begleitregelungen, die die Situation der Interpreten verbessern sollen. So sieht der geplante Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie eine "Use-it-or-lose-it"-Klausel vor, wonach der Abtretungsvertrag mit dem Tonträgerhersteller gekündigt werden kann, wenn der Tonträger nicht mehr in der Öffentlichkeit angeboten wird. Ein einfaches Downloadangebot ist dafür allerdings ausreichend. Weiterhin müssen die Tonträgerhersteller einen Ausgleichsfonds für solche Musiker finanzieren, die ihre Rechte gegen eine Einmalzahlung abtreten. Dies betrifft in der Regel Studiomusiker. Da die Finanzierung jedoch nur aus einem Anteil der Einnahmen erfolgt, die durch die Schutzrechtsverlängerung resultieren, ist gewährleistet, dass die Musikindustrie überproportional von der Richtlinie profitieren wird.
Ebenfalls der Verlängerung der Schutzdauer dient der Vorschlag der Kommission, für Musikkompositionen mehrerer Urheber eine einheitliche Methode zur Berechnung der Schutzdauer vorzuschreiben. Die Schutzdauer für Musikkompositionen soll demnach 70 Jahre nach dem Tod des letzten beteiligten Urhebers erlöschen, unabhängig davon, ob es sich dabei um den Textautor oder den Komponisten handelt. Einige Mitgliedsstaaten berechnen derzeit auch bei Miturheberschaft die Schutzdauer für Textautor und Komponist getrennt.
Fraglich ist die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft zur Verlängerung der Schutzrechte. Denn es ist nicht ohne weiteres zu erkennen, dass Unterschiede im Rechtsschutz der Mitgliedsstaaten bezüglich der Schutzdauer den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr beschränken und daher eine Harmonisierung erfordern. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil in anderen Bereichen des Urheberrechts, etwa bei den Schrankenregelungen, wirtschaftlich relevante Unterschiede ohne weiteres hingenommen werden. Insbesondere ist aber die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu bezweifeln. Die Begründung der Kommission - der Vorschlag sei das mildeste Mittel - ist hier wenig überzeugend.