Freie Lizenz für Computerschriften vorgestellt

Von Till Kreutzer
 
Bei dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) präsentierte das Summer Institute of Linguistics (SIL) eine neuartige Freie Lizenz, die die freie Nutzung von Computerschriften (Fonts) möglich machen soll. Nach der Open Font License (OFL) ist es gestattet, die hierunter lizenzierten Fonts ohne weitere Zustimmung zu nutzen, zu verbreiten, zu verändern und sonstwie zu verwenden.

Hintergrund:

Das Recht der freien Nutzung von OFL-Fonts erfasst zudem, diese im Paket mit kommerzieller Software zu vertreiben. In einem solchen Fall müssen die Lizenzbestimmungen und die Copyright-Hinweise beigefügt werden. Während diese Regelung in ihrer Klarheit den Nutzern (vor allem Distributoren von Software-Paketen) zugute kommen sollte, gibt eine andere Klausel eher Rätsel auf. Nach Ziff. 1) dürfen die Fonts weder im Original noch in bearbeiteten Fassungen für sich genommen "verkauft" werden ("Neither the Font Software nor any of its individual components, in Standard or Modified Version, may be sold by itself."). Für eine freie Lizenz ist diese Formulierung zumindest unglücklich und missverständlich. Suggeriert sie doch, dass es nicht gestattet ist, die unter der OFL stehenden Fonts für sich genommen gegen Entgelt zu vertreiben, etwa eine Sammlung mit solchen Schriften auf CD zu verkaufen.

Das würde allerdings dem, allen offenen Lizenzen zugrunde liegenden, Prinzip zuwiderlaufen, dass zwar keine Lizenzgebühren für die Nutzung freier Inhalte oder Computerprogramme verlangt werden dürfen, ein "Verkauf" jedoch durchaus zulässig ist. Keineswegs wollen freie Lizenzen den kommerziellen Einsatz verhindern. Legendär ist diesbezüglich der anschauliche Ausspruch, mit dem dieses Prinzip in der Free Software Definition erläutert wird: "Free software" is a matter of liberty, not price. To understand the concept, you should think of "free" as in "free speech," not as in "free beer"." Dieser Grundidee freier Lizenzen scheint die OFL nicht gerecht zu werden, was vor allem vor dem Hintergrund verwundert, dass in den Erläuterungen zur Lizenz mit der Kompatibilität sowohl hinsichtlich der Free Software Definition als auch der Open Source Definition sowie der Debian Free Software Guidelines geworben wird.

Ansonsten finden sich in der OFL sowohl Regelungen, die auch im Open-Source- und Open-Content Bereich üblich sind als auch ungewöhnliche Elemente. Zu letzteren zählt sicher Ziffer 3), nach der modifizierte Versionen eines Fonts nur unter abgeändertem Namen genutzt werden dürfen. Solcherart Klauseln sind bislang in anderen (Open Source) Lizenzen nur vereinzelt verwendet worden. Ein weitaus geläufigerer Passus findet sich dagegen in Ziffer 5): Die unter der OFL verwendeten Fonts dürfen, auch in geänderter Version, nur unter der OFL vertrieben werden. Solche "Copyleft-Klauseln" haben ihr Vorbild in Ziffer 2b) der GPL.

So begrüßenswert der hinter der OFL stehende Ansatz auch ist; für deutsche Nutzer wird die freie Lizenz für Computerschriften nicht zwingend vorteilhaft sein. Denn Fonts sind nach deutschem Recht nur ausnahmsweise rechtlich geschützt. Ein urheberrechtlicher Softwareschutz nach den §§ 69a ff. Urheberrechtsgesetz (UrhG) wird hierfür in der Regel nicht in Betracht kommen, da Fonts an sich keine Computerprogramme darstellen. Ein solcher Schutz wurde von deutschen Gerichten nur ein einziges Mal anerkannt und zwar durch ein Urteil des Landgerichts Köln aus dem Jahr 2000. Zwar wird für Fonterstellungsprogramme und die Softwareprodukte, die für die Darstellung eines Fonts sorgen (so genannte Rasterizer) etwas anderes gelten. Deren Schutz als Computerprogramm erfasst aber generell nicht den Font an sich. Für die hinter einem Font stehende gestalterische Leistung kann allenfalls ein Schutz nach § 2 Absatz 1 Nr. 4 UrhG bestehen, also ein Schutz als grafisches Werk (genauer: Werk der bildenden oder der angewandten Kunst). Nach deutscher Rechtsprechung wird indes bei Schriftzeichen die für einen solchen Schutz erforderliche Schöpfungshöhe regelmäßig nicht erreicht (vgl. Jaeger/Koglin, Computer und Recht 2002, S. 169 ff.). Ist dies nicht der Fall, können Fonts nur noch als Bestandteil einer Datenbank urheberrechtlichen Schutz genießen, was dem Schöpfer eines Fonts ebenfalls nur in besonderen Fällen zugute kommen wird.

Ist ein Urheberrechtsschutz für den Font an sich danach in den meisten Fällen nicht gegeben, besteht für den Gestalter eines Fonts nur die Möglichkeit, einen Schutz nach dem Schriftzeichengesetz zu erlangen. Anders als das Urheberrecht entsteht der Schriftzeichenschutz jedoch nicht automatisch mit dessen Erschaffung, sondern nur, wenn der Font nach den Regeln über das Geschmacksmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet wird.

Damit ist der (deutsche) Schöpfer eines Fonts in der Regel nicht auf die OFL angewiesen, um seine Kreation zur freien Verfügung zu stellen. Hierfür genügt es vielmehr in der Regel einfach untätig zu bleiben und davon abzusehen, seine Computerschrift als Geschmacksmuster anzumelden. Für den deutschen Nutzer hätte der Einsatz der OFL für einen ungeschützten Font zunächst Nachteile. Denn statt diesen ohne jegliche Pflichten verwenden, ändern und einsetzen zu dürfen, müsste er in einem solchen Fall unter Umständen die Pflichten der OFL befolgen. Zumindest würde sich diesbezüglich die Frage stellen, ob die Lizenz gegenüber dem Nutzer eines in seinem Land ungeschützten Fonds überhaupt wirksam wird.

Das heißt nicht, dass die OFL keine Vorteile mit sich bringt. Zum einen liegt deren Wert darin, dass hiermit klare rechtliche Verhältnisse geschaffen werden. Die Unsicherheit, ob eine Computerschrift urheberrechtlich geschützt ist oder nicht, also ob ein (deutscher) Nutzer diese frei verwenden darf, verliert aufgrund der Lizenz für die meisten Fälle ihre Relevanz. Außerdem ist zu bedenken, dass die Schutzfähigkeit von Fonts in anderen Ländern durchaus anerkannt wird. Ob ein Font nach dem Urheberrecht oder dem Copyright geschützt ist, entscheidet sich nach dem Recht des Staates, in dem dieser genutzt wird. So kann es sein, dass ein Font zwar in Deutschland ungeschützt ist, nach US-amerikanischem Recht jedoch - ohne dass es auf den Willen seines Schöpfers ankäme - unter das Copyright fällt. Insofern können Font-Entwickler mit Einsatz der OFL erreichen, dass ihre Schriftart auch in jedem Ausland - in den Grenzen der Lizenzbestimmungen - frei verwendet werden darf.

Wie groß die Bedeutung der OFL tatsächlich sein wird, hängt im Endeffekt natürlich davon ab, wie viele Font-Entwickler diese verwenden. Nach einer Meldung des IT-Newsletters Heise Online hat SIL selbst bereits ein großes Portfolio an Fonts im Angebot. Laut Angaben des Instituts plant man, diese und zuküftig entstehende Computerschriften unter die Lizenz zu stellen. Damit dürfte der Grundstein auch für den Erfolg der Lizenz gelegt sein.