Gerichtsverfahren zum Einsatz von DVD-Kopiersoftware

Von Carsten Schulz
 
Der U.S.-Softwarevertrieb "321Studios" hat vor dem United States District Court, Northern District of California, San Francisco Division, am 23. April Klage gegen neun führende Filmhersteller (u.a. Metro-Goldwyn-Mayer, Columbia, Time Warner, Disney) erhoben, mit dem Antrag, festzustellen, dass der Vertrieb der Software "DVD Copy Plus"
1. geschützt wird durch den ersten Verfassungszusatz,
2. nicht den Digital Millenium Copyright Act (DMCA) verletzt,
3. keine Verletzung anderer urheberrechtlicher Vorschriften darstellt,
4. nicht zu einer Haftung von "321Studios" wegen Verletzung von Urheberrechten führt.

Das von "321Studios" vertriebene Softwarepaket "DVD Copy Plus", das zusammen mit einer Anleitung ausgeliefert wird, ermöglicht es, CSS-verschlüsselte DVDs im Video Compact Disc Format (VCD) auf CD-ROM zu speichern. Die verklagten Unternehmen hatten, unter anderem über ihren Dachverband, die Motion Picture Association of America (MPAA ), öffentlich mit einer Klage gegen das Unternehmen gedroht und behauptet, der Vertrieb stelle einen Verstoß gegen den DMCA dar, der die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen verbiete.

Hintergrund:
Die Kläger sind der Auffassung, die öffentliche Behauptung der beklagten Unternehmen, der Vertrieb von DVD Copy Plus sei illegal, stelle eine massive Behinderung ihres legalen Geschäftsbetriebs dar. DVD Copy Plus ermögliche es den Erwerbern von DVDs, legitime Backup-Kopien für den privaten Gebrauch zu erstellen.
Dass die Software in der Tat nur für die Erstellung von Kopien für den privaten Gebrauch bzw. Sicherheitskopien vorgesehen und geeignet sei, ergebe sich (unter anderem) bereits aus der Tatsache, dass das Erstellen einer einzelnen Filmkopie mithilfe der Software mehrere Stunden in Anspruch nähme. Ein Einsatz zur Herstellung einer Vielzahl von Kopien für einen illegalen Handel komme daher von vornherein nicht in Betracht.
Eine solche Erstellung von Backup-Kopien sei auch sinnvoll, da sie den Erwerber im Schutz seiner Investitionen schütze, die dieser beim Kauf von DVDs mache. Denn das Medium DVD sei grundsätzlich anfällig etwa für Kratzer und andere Einflüsse, die die Nutzung des erworbenen Inhalts unmöglich machten. Die fehlende Möglichkeit der Erstellung von Sicherheitskopien führe in diesem Fall dazu, dass ein erneuter Erwerb des (bereits bezahlten) Inhalts notwendig werde.
Aus rechtlicher Sicht hat das Verfahren die Klärung des Verhältnisses von technischen Schutzmaßnahmen, (urheber-)rechtlichem Schutz technischer Schutzvorrichtungen und (urheberrechtlich sowie U.S.-verfassungsrechtlich begründeten) Nutzerrechten zum Gegenstand. Nach Auffassung der Kläger stellt der Vertrieb der Software keine Umgehung der Schutzmaßnahmen dar, alternativ sei er jedenfalls vom urheberrechtlichen Grundsatz des "fair use" gedeckt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der DMCA mit der verfassungsrechtlichen Meinungs- und Informationsfreiheit kollidiere und aufgrund der vagen Formulierung "Umgehung effektiver Schutzmaßnahmen" nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entspreche.

Der Ausgang des Verfahrens dürfte - trotz aller bedeutsamen Unterschiede in den Rechtsordnungen - auch aus deutscher Sicht sehr interessant sein, ist doch die dort zu entscheidende Frage eng verwandt mit der derzeitigen Diskussion um die Umsetzung der sog. EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (2001/29/EG). Der aktuelle Referentenentwurf sieht hier einen weitgehenden Vorrang technischer Schutzmaßnahmen gegenüber zentralen urheberrechtlichen Schrankenvorschriften vor (vgl. im einzelnen ifrOSS-Nachricht vom 25.03.2002).
Diese starke Gewichtung der Industrieinteressen hat zur Gründung zahlreicher Initiativen geführt, die eine verstärkte Berücksichtigung der Verbraucherrechte auch im digitalen Bereich fordern. So bietet etwa www.privatkopie.net neben Informationen und Literaturhinweisen (u.a. Robert Gehring, "Berliner Ansatz" zur Privatkopie) auch die Möglichkeit, eine Online-Petition an die Bundesjustizministerin und den Bundeskanzler zu richten