Von: Dr. Julia Küng
Seit Anfang 2009 fordern Verleger in Deutschland ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse und stießen auf Gehör - die deutschen Regierungsparteien merkten dessen Einführung im Koalitionsvertrag vor. Ob diese Forderung der Verleger überhaupt gerechtfertigt ist, aber natürlich auch, wie ein solches Leistungsschutzrecht aussehen könnte, bildet den Gegenstand zahlreicher Debatten. Konkrete Gesetzesvorschläge waren bislang nicht bekannt. Nun liegt der Redaktion von iRights.info jedoch ein erster Gesetzesentwurf der Presseverleger samt Änderungsvorschlägen der Gewerkschaften DJV und dju/ver.di vor.
Der Gesetzesentwurf der Presseverleger beabsichtigt die Einführung von zwei neuen Paragraphen in das deutsche Urheberrechtsgesetz: § 87 f und § 87 g UrhG.
§ 87 f Abs 1 UrhG räumt dem Presseverleger (als demjenigen „der die wirtschaftliche und organisatorische Leistung erbringt, um das Presseerzeugnis herzustellen“) das ausschließliche Recht ein, das Presseerzeugnis oder Teile daraus zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. § 87 f Abs 2 UrhG definiert den Begriff „Presseerzeugnis“ als „redaktionell gestaltete Festlegung journalistischer Beiträge und anderer Elemente auf Papier oder einem elektronischen Träger im Rahmen einer unter einem Titel periodisch veröffentlichten Sammlung, soweit sie nicht ausschließlich der Eigenwerbung dient“. Die Gewerkschaften ändern diese Definition etwas ab und beschreiben ein Presseerzeugnis in ihrem Vorschlag als „redaktionell-technische Festlegung“. Dies begründen sie damit, dass die redaktionelle Festlegung alleine nicht gewährleiste, dass der Schutzgegenstand vom bestehenden Urheberrecht an den journalistischen digitalen Beiträgen getrennt werden könne, weshalb die Verbindung mit einer technischen Festlegung maßgebend sei.
Beiden Vorschlägen gemein ist somit, dass die Rechte der Verleger sehr weitgehend sein sollen und auch - umfänglich geringe - Teile von Presseerzeugnissen monopolisieren möchten. Das Leistungsschutzrecht würde grundsätzlich auch den an der Herstellung des Presseerzeugnisses durch Verfassung eines Artikels beteiligten Journalisten selbst von einer Online-Verwertung seines journalistischen Beitrags ausschließen. Dem versuchen die Gewerkschaften - die betonen, die Rechte der JournalistInnen unbeschränkt lassen zu wollen - entgegen zu wirken, indem sie eine Klausel vorschlagen, wonach das Recht der Verleger nicht zum Nachteil der Urheber ausgeübt werden darf, deren Beitrag im Presseerzeugnis erschienen ist. Zu Recht weist iRights.info auf die sich daraus ergebende Unschärfe hin, zumal das Presseerzeugnis per definitionem die „redaktionell (-technisch) gestaltete Festlegung journalistischer Beiträge und anderer Elemente (…) einer unter einem Titel periodisch veröffentlichten Sammlung (…).“ und damit eine Zusammenstellung mehrerer Beiträge (auch) verschiedener Journalisten sein soll. Der derzeitige Gewerkschaftsvorschlag würde nach dessen Wortlaut auch ein Vorgehen gegen einen Urheber verbieten, der einen nicht von ihm verfassten, jedoch im selben Presseerzeugnis wie der von ihm verfasste Artikel erschienenen Beitrag online stellt. Auch böte der von den Gewerkschaften als Ausübungsgrenze festgelegte „Nachteil der Urheber“ aufgrund der ausgedehnten Interpretationsmöglichkeiten Feld für unzählige Streitigkeiten.
Zu hinterfragen ist auch, welche Auswirkungen der Gesetzesentwurf für Suchmaschinenbetreiber mit sich bringt, ob also gewisse Suchergebnisse zumindest als „Teile von Presseerzeugnissen“ eingestuft werden müssten. Bejahenden Falls wären Suchmaschinenbetreiber gezwungen, die Zustimmung zur Anzeige der Suchergebnisse im Vorhinein bei den Verlegern bzw deren Verwertungsgesellschaft einzuholen.
Doch der Entwurf der Presseverleger hat es weiter in sich: Er dehnt den Begriff der Vervielfältigung explizit auf die Vervielfältigung auf einem Gerät aus, „die zu einer nicht von der Zustimmung des Presseverlegers erfassten Darstellung auf dem Bildschirm erstellt wird“. Diese Bestimmung hat die Eignung, Internetbesuche für jeden Einzelnen zur Gefahr werden zu lassen bzw jeden Einzelnen zum zahlenden Kunden für die Verleger zu machen. Denn eine zustimmungspflichtige Handlung läge damit schon dann vor, wenn sich ein - auch privater - Internetnutzer ein Dokument oder einen Teil eines Dokuments auf seinem Bildschirm anzeigen ließe, welches zu einem Presseerzeugnis gehört. Schließlich macht § 87 g Abs 3 UrhG die Einnahmequelle perfekt: „Werden Geräte, die allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme von Vervielfältigungen geeignet sind, zum Zwecke der gewerblichen Nutzung betrieben, wird vermutet, dass diese zur Herstellung von Vervielfältigungsstücken im Sinne von Absatz 1 benutzt werden.“ Durch diese Bestimmung würde eine Umkehr der Beweislast eingeführt, aufgrund welcher nicht die Verleger beweisen müssten, dass Geräte zur Herstellung von Vervielfältigungen verwendet werden, sondern sich die (gewerblichen) Nutzer freizubeweisen hätten. Die Gewerkschaften stimmen dem in ihrem Gegenvorschlag jedoch nicht zu und streichen die von den Pressevertretern gewünschte gesetzliche Vermutung. Einig sind sich Gewerkschaften und Pressevertreter darin, dass die Rechtewahrnehmung durch eine Verwertungsgesellschaft erfolgen soll.
Der gegenständliche Entwurf bietet Gelegenheit zu äußerst weitreichender, hier nicht abschließend darstellbarer juristischer Diskussion (siehe dazu ua die Kommentierung des Gesetzesentwurfs durch iRights.info), erscheint jedoch in der vorliegenden Fassung jedenfalls als zu einseitig und weitgehend zu Gunsten der Presseverleger. Als reine Formulierung der Wünsche und Ziele der Presseverleger ist er hingegen durchaus interessant und seine Veröffentlichung trägt dazu bei, deren mögliche Auswirkungen im Vorfeld zu überprüfen und unerwünschte Folgen zu vermeiden. Bei einer Gesetzesänderung dieses Ausmaßes ist die Einbindung der Öffentlichkeit daher nicht nur wünschenswert sondern unerlässlich.
Die geführte Debatte ist zudem über die Grenzen Deutschlands hinaus von großem Interesse, zumal die Diskussion über ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger beispielsweise auch in Österreich voll entbrannt ist. Die Auswirkungen einer Einräumung der von den Presseverlegern gewünschten Rechte bzw die Frage ob und wie weit diese tatsächlich gewährt werden sollen, sind für die Gesellschaft von so erheblicher Bedeutung, dass in dem „Gesetzesentwurf“ sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands lediglich der Startschuss für eine konkrete Diskussion mit offenem Ausgang gesehen werden sollte.