Großer Bahnhof für das Urheberpersönlichkeitsrecht

Von Olaf Koglin
 
Das Landgericht Berlin hat mit seinem Urteil vom 28.11.2006 Aufsehen erregt und dem Architekten des neu gebauten Berliner Hauptbahnhofs gegenüber dessen Auftraggeber, der Deutschen Bahn, zu einem David-gegen-Goliath-Sieg verholfen. Konkreter architektonischer und juristischer Hintergrund des Urteils war, dass die Bahn als Bauherr die Konzeption des Architekten Meinhard von Gerkan im Tiefgeschoss geändert hatte, nachdem sie die ursprüngliche Planung bereits genehmigt hatte.

Hintergrund:

Urheberrechtlich beinhaltet das Urteil aber eine noch spannendere Komponente, nämlich die starke Benotung des Urheberpersönlichkeitsrechts. Über Jahrzehnte - insbesondere seit Beginn des breiten Vertriebs von Standardsoftware in den 80er Jahren - hatten Gesetznovellen des Urheberrechts und Urteile zumeist nur eine Tendenz: Die Stärkung der kommerziellen Rechte an Werken. Zum Beispiel die Herabsenkung des Erfordernisses der sog. Schöpfungshöhe: Statt nur besondere Leistungen mit dem aus dem Urheberrecht hervorgehenden Verwertungsmonopol zu belohnen, wendet sich das Urheberrecht immer mehr dem anspruchslosen, aber kommerziell bedeutsamen Prinzip des "What´s worth copying is worth protecting it" zu. So ist in den Besonderen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes zum Schutz von Computerprogrammen explizit geregelt, dass beim urheberrechtlichen Schutz von Programmen an diese keine besonderen Anforderungen zu stellen sind.

Für Computerprogramme wurde auch die US-amerikanische "Work made for hire"-Doktrin in das Urheberrechtsgesetz implementiert: Wenn Programme für einen Arbeitgeber erstellt werden, stehen die Verwertungsrechte per se dem Arbeitgeber und nicht dem Urheber zu. Das Urheberrecht entfremdet sich also immer mehr von seinem Namen: Es schützt immer weniger den Urheber und immer mehr den Rechteinhaber. Während das kontinentaleuropäische Urheberrecht (ebenso wie das französiche droit d'auteur) schon begrifflich den Urheber (bzw. den auteur) in den Mittelpunkt des Gesetzes stellte, schützt das anglo-amerikanische Copyright nicht primär die Schöpfer, sondern das Recht zum (oder gegen das) Kopieren.

Mit Ausnahme der Novelle zum Schutz der ausübenden Künstler kannten Veränderungen des Urheberrechts dabei meist nur eine Richtung: Die Positionen der Rechteinhaber - und nicht zwingend die Urheber - zu stärken und die Rechte der Allgemeinheit an einer kostenlosen Nutzung einzuschränken. Wenn das Urheberrecht an Computerprogrammen schon besonders ausgebreitet werden musste: Wieso hätten nicht die Schutzfristen verkürzt werden können oder - ähnlich wie bei Büchern - Programme zumindest zum privaten Gebrauch frei werden können, wenn es seit zehn Jahren nicht mehr vom Rechteinhaber vermarktet wird?

Einige der weiteren Meilensteine der Urheberrechtsgeschichte sind die Ausdehnung auf nicht funktionierende DRM-Kopierschutzmaßnahmen nebst strafrechtlicher Umrahmung und die geplanten Änderungen, um unter bestimmten Voraussetzungen gleich alle Verwertungsrechte des Urhebers exklusiv auf den Rechteverwerter zu übertragen.

Vor diesem Hintergrund ist das Urteil des Landgericht Berlins und die Betonung des Urheberpersönlichkeitsrechts ein erfreulicher Paukenschlag zur Verdeutlichung, dass das Urheberrecht auch die Rechte des Urhebers und nicht nur die kommerziellen Interessen des Bestellers schützt - auch wenn zweifelhaft ist, ob dieses Urteil in den nächsten Instanzzügen Bestand haben wird.