Hat IBM UNIX-Code unter die GPL gestellt?

Von Dr. Axel Metzger
 
Die freie Software-Szene wird in den nächsten Monaten das Bezirksgericht in Salt Lake City im Auge behalten müssen. Das Gericht hat darüber zu befinden, ob IBM in gesetzeswidriger Weise "proprietären" UNIX-Code unter die GPL gestellt hat. Die Caldera Systems Inc., eine Tochter der SCO Group, hat diesen Vorwurf erhoben - verbunden mit einer Schadensersatzklage in Höhe von einer Milliarde U.S.-Dollar. Caldera ist als Distributor einer wenig erfolgreichen Linux-Distribution und als Mitglied des United-Linux-Konsortiums bekannt. Die Firma ist zugleich Inhaber der Rechte am ursprünglichen UNIX-Code, welche zunächst bei AT&T lagen und später über die Zwischenstation Novell an Caldera weiterübertragen wurden. Caldera wirft IBM vor, im Rahmen seines Linux-Engagements die Rechte Calderas an UNIX verletzt zu haben.

Hintergrund:

Die Entstehungsgeschichte des Betriebssystems GNU/Linux ist eng mit der proprietären Vermarktung von UNIX verbunden. Die Geschichte ist Legende: Als AT&T in den 80er Jahren damit begann, UNIX propietär zu vermarkten, begannen Richard Stallman und die Free Software Foundation ein neues Betriebssystem zu entwickeln, welches mit UNIX kompatibel sein sollte ohne selbst UNIX-Code zu enthalten. Hierher rührt der Name des GNU-Projekts, "GNU is not UNIX". Große IT-Anbieter wie IBM erwarben damals von AT&T die Rechte für einen proprietären Vertrieb von UNIX. Die IBM-Variante des leicht gewandelten Betriebssystems wird unter dem Namen AIX vertrieben.
SCO wirft IBM nun vor, Source Codes und Geschäftsgeheimnisse in wettbewerbswidriger Weise der freien Software-Szene zugänglich gemacht zu haben. Auch habe IBM Dritte zur Verletzung der Rechte von SCO ermutigt. Die Klage wird auf die Gründe (1) Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, (2) unlauterer Wettbewerb und (3) Vertragsbruch gestützt. Interessant ist, dass SCO seine Klage nicht mit einer Verletzung von Urheberrechten begründet. Hätte IBM tatsächlich UNIX-Code unter die GPL gestellt, so wäre eine Klage wegen der Verletzung von Urheberrechten der naheliegendste Klagegrund für SCO gewesen. Als einfacher Lizenznehmer hat IBM nicht die rechtliche Stellung, UNIX-Code "frei" zu geben. Vielleicht fehlen SCO die Beweise für eine direkte Übernahme von UNIX-Code.
Erste Kommentare aus der freien Software-Szene missbilligen das Vorgehen von SCO. Seitens des United-Linux-Konsortiums wurde bereits angekündigt, die Beziehungen zu Caldera neu zu bewerten.