Keine Auskunftsansprüche der Rechtsinhaber gegen Online-Provider nach US-amerikanischem Copyright

Von Till Kreutzer
 
In den USA hat der Rechtsstreit zwischen dem Verband der Musikindustrie RIAA und dem Online-Provider Verizon eine überraschende Wendung genommen. Ein amerikanisches Berufungsgericht hat die Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben, nach der Verizon verpflichtet worden war, Verbindungsdaten über Tauschbörsennutzer herauszugeben. Das Gericht statuierte, dass der Digital Millennium Copyright Act (DMCA) einen derartigen Auskunftanspruch nicht enthalte.

Hintergrund:

Im April 2003 war die Firma Verizon von einem amerikanischen Bezirksgericht in einem Musterprozess verurteilt worden, die Daten von zwei Kunden herauszugeben, die über KAZAA eine große Zahl Musikdateien angeboten und getauscht hatten. Nachdem im Juni 2003 ein Antrag von Verizon, den Vollzug des erstinstanzlichen Urteils auszusetzen, abgelehnt wurde, hatte die RIAA hunderte von Kundendaten herausverlangt und die so identifizierten Nutzer verklagt. Scannerprogramme spionieren seitdem die großen Filesharing-Börsen aus und sammeln IP-Nummern von Nutzern, die Musik- und Filmdateien anbieten.

Mit dieser Praxis dürfte nun erst einmal Schluss sein. Mit klaren Worten erteilte der vorsitzende Berufungsrichter Ginsburg der Vorgehensweise der amerikanischen Musikindustrie eine juristische Absage. Nach Sec. 512 (h) des DMCA könnten von Providern Kundendaten nur herausverlangt werden, wenn die von den Nutzern widerrechtlich bereitgehaltenen Inhalte auch auf Speichereinheiten des Providers belegen seien. Es komme darauf an, ob der ISP in der Lage sei, das rechtsverletzende Material zu löschen oder den Zugang hierzu zu unterbinden. Beides sei dem Provider bei einer Filesharing-Nutzung der Kunden nicht möglich. Die Daten, die sich auf den Computern der Nutzer befänden, seien für den Provider nicht kontrollierbar. Daher könnten in solchen Fällen die Anforderungen an die wirksame Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs nicht erfüllt werden.

Das Berufungsgericht begründet dies mit einer eingehenden Auslegung der einschlägigen Normen des DMCA. Voraussetzung für die wirksame Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs ist eine Anzeige ("notification") mit gesetzlich in Sec. 512(c)(3)(A) fest bestimmtem Inhalt. Diese Anzeige muss der Rechtsinhaber dem Gericht übermitteln, bevor eine gerichtliche Verfügung ("subpoena"), durch die der Provider erst zur Auskunft verpflichtet wird, erlassen werden darf. Nach Sec. 512(c)(3)(A)(iii) muss das Material, "das zu entfernen oder zu dem der Zugang durch den Provider zu unterbinden ist" genau bezeichnet werden. Wenn es auch als eine juristische Spitzfindigkeit erscheinen mag; das Ausmaß der Entscheidung im Verizon-Fall ist immens. Das Urteil statuiert nämlich zu Recht, dass Provider bei der Inanspruchnahme von P2P-Diensten durch ihre Kunden nur als Zugangsvermittler fungieren, also nur die technischen Leitungen zur Verfügung stellen. Diese Dienstleistung erlaube es ihnen also nicht, die von den Kunden per Filesharing angebotenen Inhalte zu "entfernen oder den Zugang hierzu zu unterbinden". Da somit die Anforderungen an eine ordnungsgemäße "notification" in derartigen Fällen schon per se nicht erfüllt werden könnten, seien die Provider hier auch niemals zur Auskunft verpflichtet.

Kurz gesagt: Ein Auskunftsanspruch der Rechtsinhaber gegen Online-Provider, der Letztere zur Herausgabe von Verbindungsdaten über Tauschbörsennutzer verpflichten würde, existiert hiernach nicht. Kundendaten können nur dann von einem Provider herausverlangt werden, wenn sich das verletzende Material auf seinen Servern befindet. Somit können reine Service- oder Access-Provider von Copyright-Inhabern nicht auf Auskunft in Anspruch genommen werden.

Fazit:

Es wäre wünschenswert, wenn der deutsche Gesetzgeber sich diese Entscheidung zum Vorbild nehmen und die Forderung nach der Schaffung eines Auskunftsanspruchs der Rechtsinhaber gegen Online-Provider im deutschen Recht abschlägig bescheinigen würde. Über eine derartige Regelung wird momentan im Rahmen der Vorarbeiten zum "2. Korb" der Urheberrechtsreform diskutiert. Das ifrOSS hat sich bereits in einer offiziellen Stellungnahme an das BMJ gegen die Aufnahme einer solchen Vorschrift ausgesprochen, da dies in verschiedener Hinsicht erheblichen Bedenken begegnet. Auf diese Position des ifrOSS hat wiederum der DMMV mit polemischen Angriffen reagiert.