Microsoft will (oder muss) offener werden

Von Dr. Olaf Koglin
 
Microsoft Corp. hat am 21.02.2008 eine "weitreichende Änderung seiner Technologie und seiner Geschäftspraktiken" angekündigt, seine Produkte offener zu gestalten und Interoperabilität zu verbessern. Die neue Strategie umfasst einen Vier-Punkte-Plan:
1. Die Zusicherung offener Schnittstellen,
2. die Portabilität von Daten,
3. verbesserter Support für Industriestandards, und
4. die Verstärkung von "open engagement" mit Kunden und der Instrie, ausdrücklich unter Einschluss der Open Source Communities.

Es fragt sich, was auf diese Ankündigungen konkret folgt, was davon nicht ohnehin per Gesetz oder durch die Missbrauchsverfahren der EU-Kommission hätte erfolgen müssen, und was für Auswirkungen dies in Zusammenhang mit GPL haben kann.

 

Update (27.02.2008):
Am 27.02.2008 hat die Kommission gegen Microsoft ein Zwangsgeld in der Rekordhöhe von 899 Mio € verhängt, nachdem laut der Pressemiteilung der Kommission das Unternehmen die in einer Kommissionsentscheidung vom März 2004 festgelegten Auflagen bis Oktober 2007 nicht erfüllt hatte. Die Kommissionsentscheidung vom März 2004 verlangt von Microsoft die Bereitstellung vollständiger und präziser Interoperabilitätsangaben für die Entwicklung von kompatiblen Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver zu aktzeptablen Bedingungen. In der heutigen Entscheidung wird festgestellt, dass Microsoft vor dem 22. Oktober 2007 unangemessen hohe Preise für die Bereitstellung der Schnittstellenspezifikationen für Arbeitsgruppen-Server verlangt hat. In der 2004 gegen Microsoft erlassenen Entscheidung, die das Gericht erster Instanz 2007 bestätigte (siehe CJE/07/63 und MEMO/07/359), wurde der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Microsoft gemäß Artikel 82 EG-Vertrag festgestellt und angeordnet, dass Microsoft die Schnittstellenspezifikationen, die erforderlich sind, damit die Arbeitsgruppenserver von Microsoft-Konkurrenten problemlos mit Windows-PCs und -Servern "kommunizieren&" können, zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stellen muss. "Microsoft ist das erste Unternehmen seit Einführung der EU-Wettbewerbspolitik vor 50 Jahren, gegen das die Kommission eine Geldbuße wegen Nichteinhaltung einer Kartellentscheidung verhängen muss", erklärte die für Wettbewerb zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes. "Ich hoffe, dass mit der heutigen Entscheidung das dunkle Kapitel der Verstöße Microsofts gegen die Kommissionsentscheidung vom März 2004 abgeschlossen wird und Microsoft die vom Gericht erster Instanz im September 2007 bestätigten Grundsätze einhalten wird."

Hintergrund:

Die ersten Reaktionen auf die Ankündigung waren verhalten positiv, jedoch skeptisch, welche konkreten Taten diesen Worten folgen würden. Bekanntlich hat es schon mehrere Ankündigungen aus Redmond in Richtung Offenheit und Interoperabilität gegeben, die die damit gesetzten Erwartungen nicht voll erfüllt haben. Darauf wies auch die EU-Kommission in einer ersten Stellungnahme hin.

Microsoft räumt selbst ein, dass die Brüsseler Missbrauchsverfahren, die Microsoft Bussgelder in Höhe von meheren Millionen Euro eingebracht haben, ein wichtiger Faktor für den neuen Weg des bisherigen Lieblingsfeindes der Open Source-Community war. Freilich steht auch noch eine Beschwerde des Verbandes ECIS (European Committee for Interoperable Systems) aus, die die Einbindung des Internet Explorers in Windows betrifft. Dies Problem scheint durch die Ankündigung Microsofts noch nicht gelöst zu sein. Man mag also argwöhnen, dass der Windows-Hersteller an den für ihn kritischen Punkten nur so weit geht, wie es derzeit unumgänglich ist.

Die Zusammenarbeit mit der Open Source Community stellt sich Microsoft dergestalt vor, dass Redmond gegenüber Entwicklern und nicht-kommerziellen Verbreitungen auf die Geltendmachung seiner Patentansprüche verzichtet. Sofern dieselbe Software allerdings kommerziell verbreitet wird (teilweise ist auch die Rede von "kommerziellen Open Source-Projekten"), sollen von Microsoft unter speziellen Konditionen Patentlizenzen erworben werden. Der Erwerb einer solchen Lizenz ist rechtlich natürlich nur dann notwendig, wenn die entsprechende Verbreitungshandlung tatsächlich ein Patent von Microsoft verletzt.

Dies wirft die Frage auf, welchen Vorteil die Regelung bringt, da - zumindest unter deutschem Patentrecht - meist nur gewerbliche Handlungen lizenzbedürftig sind (vgl. § 11 Nr. 1 PatG, wonach "private Handlungen zu nichtgewerblichen Zwecken" nicht vom Verbotsrecht des Patents erfasst sind).

Dass aber die gewerblichen Handlungen einer kostenpflichtigen Lizenz von Microsoft bedürfen sollen, schafft in mehrfacher Hinsicht Konflikte mit der GPL: Schon nach Sec. 7 der GPLv2 war die Verbreitung unter der GPL unzulässig, wenn nicht alle Empfänger das Recht zur kostenlosen Weiterverbreitung haben ("For example, if a patent license would not permit royalty-free redistribution of the Program by all those who receive copies directly or indirectly through you, then the only way you could satisfy both it and this License would be to refrain entirely from distribution of the Program."). Eine ähnliche Regelung bezüglich der "Downstream receipients" wurde auch in Sec. 10 Abs. 3 der GPLv3 übernommen ("For example, you may not impose a license fee, royalty, or other charge for exercise of rights granted under this License, and you may not initiate litigation (including a cross-claim or counterclaim in a lawsuit) alleging that any patent claim is infringed by making, using, selling, offering for sale, or importing the Program or any portion of it."). Zusätzlich enthält die GPLv3 in Sec. 11 Abs. 5 eine spezielle Regelung in Zusammenhang mit der Verbreitung von Software, bei der Dritte Patentschutz geltend machen ("If you convey a covered work, knowingly relying on a patent license, and the Corresponding Source of the work is not available for anyone to copy, free of charge and under the terms of this License, through a publicly available network server or other readily accessible means, then you must either (1) cause the Corresponding Source to be so available, or (2) arrange to deprive yourself of the benefit of the patent license for this particular work, or (3) arrange, in a manner consistent with the requirements of this License, to extend the patent license to downstream recipients.").

Zusätzlich zu diesen GPL-bezogenen Issues wurde auch schon in Frage gestellt, ob mit der neuen Patentstrategie von Microsoft nicht der Nutzen für Novell aus dem Microsoft/Novell-Abkommen verwässert wird, wenn nun jedermann die Patente nicht-kommerziell nutzen darf. Auch in sofern bleibt es spannend, wie die konkreten Bedingungen und Umfänge der Nutzung von Microsofts Patenten aussehen wird.