Neuerscheinung: Dissertation "Opensourcerecht" von Olaf Koglin

Von Dr. Axel Metzger
 
Die Doktorarbeit "Opensourcerecht" von ifross-Mitglied Dr. Olaf Koglin trägt den Untertitel "Die urheber- und schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer bei Open Source Software am Beispiel der General Public License (GPL)" und ist in einer von Prof. Gerald Spindler herausgegebenen Reihe im Verlag Peter Lang erschienen. Sie enthält neben dem wissenschaftlichen Teil auch eine Erläuterung der für die Praxis wichtigen Teile der GPL. Hier ist auch für Nichtjuristen erklärt, unter welchen Bedingungen Open Source Software kopiert und bearbeitet werden darf, wann das Copyleft andere Software zu Open Source Software machen kann und nach welchen Bedingungen der Übergang von der GPL Version 2 zu Version 3 erfolgt.

Hintergrund:

Zu den übergreifenden Thesen der Arbeit gehört, dass die General Public License (GPL) als Verpflichtungsgeschäft die Rechtsbeziehungen zwischen dem Lizenznehmer und dem bzw. den Lizenzgeber(n) regelt. In Erfüllung dieses Kausalgeschäfts und in der Regel uno actu mit ihm werden dem Lizenznehmer Nutzungsrechte an der Software eingeräumt. Der tatsächliche Erwerb der Software durch den Lizenznehmer ist nicht Gegenstand der GPL, und auch die Einräumung des Rechts zur reinen Nutzung (dem Ausführen) des Programms ist ausdrücklich nicht Gegenstand der mit der GPL eingeräumten Rechte. Vielmehr geht die GPL davon aus, dass diese Rechte quasi von sich aus bestehen.

1. "Opensourcerecht" beschäftigt sich dann zunächst mit der Frage, ob Open Source Lizenzen Schenkungen im zivilrechtlichen Sinn sind.

a) Hiergegen wird in der rechtswissenschaftlichen Fachliteratur angeführt, der Lizenzgeber - also der "Schenkende" - gebe keine Leistung aus seinem Vermögen her; zudem stellten die Verpflichtungen der Lizenznehmer - insbesondere durch das Copyleft - Gegenleistungen dar, die juristisch eine Schenkung ausschließen. Hiergegen belegt Koglin ausführlich, dass sich die mit der GPL eingegangenen Rechte und Pflichten zwar auch unter der Schenkung subsumieren lassen. Insbesondere sei eine wirtschaftliche Entreicherung gar nicht Voraussetzung der zivilrechtlichen Schenkung - auch bei Sachschenkungen können wertlose Dinge verschenkt werden, ohne dass das Schenkungsrecht unanwendbar wird. Auch das gegen die "Schenkungstheorie" vorgebrachte Argument, dass die Verpflichtung des Lizenznehmers eine die Schenkung ausschließende Gegenleistung darstelle, wird entkräftet. Denn hierfür wäre eine synallagmatische, konditionale oder zumindest kausale Verknüpfung notwendig. Bei Open Source Software wird eine Leistung des Lizenznehmers hingegen nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht final angestrebt.

b) Gleichwohl stellt die GPL nach "Opensourcerecht" keine Schenkung im Sinne der §§ 518 ff. BGB dar, da das mit Schenkungsversprechen verbundene Erfordernis der notariellen Beurkundung zu keinen interessengerechten Ergebnissen führe. Zwar entstehen keine Probleme, wenn die "Schenkung" durch die Einräumung von Rechten sogleich erfüllt wird. Nach Koglins Argumentation muss sich eine Vertragseinordnung aber gerade dann beweisen, wenn nicht alles glatt läuft und eine der Parteien ihre Pflichten nicht erfüllt. In diesem Falle würde das unerfüllte Versprechen des Lizenzgebers, gemäß der GPL Nutzungsrechte an einem Programm einzuräumen, dazu führen, dass eine Schenkung als formbedürftiges Schenkungsversprechen gem. § 518 Abs. 2 BGB angesehen werden würde. Das Nichteinhalten der notwendigen notariellen Form würde im nächsten Schritt dazu führen, dass das gesamte Schenkungsversprechen formnichtig wäre und der Lizenznehmer aus der GPL keine vertraglichen Ansprüche hätte - weder auf Einräumung des versprochenen Nutzungsrechts noch auf Ersatz, falls der vermeintliche Lizenzgeber ein fremdes Werk zu Unrecht unter die GPL gestellt hat und dem vermeintlichen Lizenznehmer hierdurch ein Schaden entstanden ist, weil er im Vertrauen auf die Rechte aus der GPL vielleicht schon Vervielfältigungen angefertigt und auf den Markt gebracht hat.

Daher wertet Koglin die GPL nicht als Schenkung im zivilrechtlichen Sinne, sondern als Lizenzvertrag.

2. Urheberrechtlicher Teil Im urheberrechtlichen Teil der Arbeit beschäftigt sich Koglin insbesondere mit der Frage, ob die in der GPL aufgeführten Restriktionen mit sog. "dinglicher Wirkung" das dem Lizenznehmer eingeräumte Nutzungsrecht beschränken. Im deutschen Urheberrecht können Rechte in der Weise beschränkt werden, dass das eingeräumte Nutzungsrecht einen entsprechend reduzierten Umfang hat und die Beschränkung nicht nur ein zusätzliches vertragliches Verbot ist. Die im ersten Fall vorliegende sog. dingliche Wirkung der Beschränkung ist für den Urheber deutlich günstiger. "Opensourcerecht" analysiert unter Berücksichtigung der jeweils relevanten Verkehrskreise ausführlich, welche Beschränkungen bei Open Source Software dingliche Wirkung haben und bejaht dies bei folgenden Beschränkungen:

- Die Beschränkung, dass bei der Verbreitung des Programms als sog. Binary auch der Source Code beigefügt oder zugänglich gemacht werden, sowie
- die Beschränkung, dass bei der Verbreitung von bearbeiteten Fassungen des Programms diese wiederum der GPL unterstellt werden müssen (Copyleft), der Lizenznehmer also hinsichtlich seiner Bearbeitung Lizenzgeber werden und Dritten kostenlos Nutzungsrechte einräumen muss.

Der Schutzzweck der eingeschränkten Zulässigkeit dinglicher Beschränkungen von Nutzungsrechten führt nach Koglin im Übrigen dazu, dass der automatische Entfall der Rechte aus der GPL nicht nur unter der Betrachtung als dinglicher Beschränkung des Nutzungsrechts unzulässig ist. Vielmehr führe der dem zu Grunde liegende Schutzzweck auch dazu, dass die Konstruktion einer zivilrechtliche Bedingung, die faktisch eine urheberrechtliche Wirkung der Klausel zur Folge hat, keine urheberrechtliche Wirkung haben kann.

3. Vertragsschluss, Erfüllung und Haftung

In Opensourcerecht wird anschließend der genaue zeitliche Ablauf des Vertragsschlusses analysiert. Insbesondere ist der Zeitpunkt des Annahme des Angebots durch den Lizenznehmer von Bedeutung, um festzustellen, ob der Text der GPL als Allgemeine Geschäftsbedingung zu diesem Zeitpunkt wirksam einbezogen werden konnte. Da das bloße Ausführen des Open-Source-Programms von der GPL nicht erfasst ist, liegt eine Annahme hiernach in der Regel zeitlich so spät, dass der Lizenznehmer das Programm und den Text der GPL bereits vorliegen hatte.

Intensiv geht Opensourcerecht auf die Frage ein, für welche Art von Schäden der Lizenzgeber haftet, da das Schenkungsrecht und die darin enthaltene Haftungsprvilegierung - zumindest direkt - nicht anwendbar ist. Basierend auf der Grundannahme, dass die GPL die Basis für die Einräumung von Rechten an der Software, nicht aber der Überlassungsvertrag zum Verkauf, Download oder Übergabe der Software selbst ist, kommt Koglin zu dem Ergebnis, dass die GPL entsprechend auch keine Haftungsbasis für Schadensersatzansprüche wegen technischer Fehler der Software darstellt, sondern alleine bei Rechtsmängeln greift.

4. Kommentar zu Ziff. 1-4 und 9 der GPL

Abschließend sind in Opensourcerecht die Ziff. 1 bis sowie Ziff. 9 der GPL kommentiert. Von aktuellem Interesse ist hier insbesondere die Kommentierung zu Sec. 9 der GPLv2, die die Anwendung späterer GPL-Versionen betrifft.

5. Auf Grund einer Sonderveinbarung mit dem Peter Lang Verlag werden große Teile der Arbeit ab 01.01.2008 auch in einem Wiki lesbar und veränderbar sein, das über www.opensourcerecht.de erreicht werden kann.

Das gut 250 Seiten starke Werk wird die Rechtswissenschaft des "Opensourcerechts" mit einigen - zum Teil sicherlich auch streitbaren - neuen Ansichten bereichern, so dass das ifross sich auch angesichts des Interesses an der GPLv3 und zwei weiteren neu erschienenen Doktorarbeiten auf ein spannendes Jahr 2008 freut.

In diesem Sinne wünschen wir unseren Lesern besinnliche Weihnachtstage und ein frohes, gutes neues Jahr.