Von Dr. Till Jaeger
Im Carl Heymanns Verlag ist die Dissertation des ifrOSS Mitgliedes Dr. Carsten Schulz erschienen. Die Arbeit mit dem Titel Dezentrale Softwareentwicklungs- und Softwarevermarktungskonzepte behandelt die rechtlichen Strukturen bei Vertrieb und Entwicklung von Open Source Software. Das 334 Seiten starke Werk geht insbesondere bei der Bewertung der schuldrechtlichen Beziehungen beim Vertrieb von Freier Software neue Wege und wird die rechtswissenschaftliche Diskussion in diesem Themenfeld bereichern.
Hintergrund:
In den vergangenen Jahren sind eine Reihe von juristischen Darstellungen zu rechtlichen Fragestellungen von Freier Software erschienen. Das Spektrum reicht dabei von urheberrechtlichen bis vergaberechtlichen und von patentrechtlichen bis wettbewerbsrechtlichen Aspekten. Dies spiegelt die vielfältigen rechtlichen Sonderprobleme wieder, die sich aus dem Open Source Modell ergeben, das primär ein Lizenzmodell und kein Entwicklungsmodell ist. Für eine Reihe von wichtigen Problemen wurden inzwischen tragfähige juristische Lösungen gefunden, was nicht zuletzt auch das Urteil des Landgericht München I zur GPL zeigt (vgl. Nachricht der Woche vom 26.07.2004). Dennoch sind zahlreiche Fragen noch offen, so dass dem Werk von Schulz mit der zunehmenden Nutzung von Open Source Software in der Softwarewirtschaft hohe aktuelle Bedeutung zukommt.
Schulz vertritt die Auffassung, dass für die schlichte Programmbenutzung, also das Ablaufenlassen, keine Nutzungsrechtseinräumung erforderlich ist, sondern insoweit bereits eine gesetzliche Lizenz durch § 69d UrhG gewährt wird. Dies hat zur Folge, dass bloße Anwender keine Open Source Lizenzen abschließen müssen, um die Programme bestimmungsgemäß ablaufen lassen zu können. Für die Einräumung von Vertriebs- und Entwicklungsrechten seien aber Nutzungsrechtseinräumungen erforderlich. Die dafür erforderliche Open Source Lizenz müsse aber nicht bei Abschluss des Überlassungsvertrages einbezogen werden, sondern könne auch zeitlich nachgelagert abgeschlossen werden. Ein weiterer Schwerpunkt der Dissertation betrifft die schuldrechtlichen Beziehungen bei der Nutzung von Freier Software. Hier verfolgt Schulz einen neuen Ansatz: Die Einräumung der Vertriebs- und Entwicklungsrechte folge keinem bekannten BGB-Typus sondern stelle einen eigenen urheberrechtlichen Softwarelizenzvertrag dar, der den Charakter eines Dauerschuldverhältnisses habe. Dabei stünden die Pflichten bei Copyleft-Lizenzen wie der GPL in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Konturen von Haftung und Gewährleistung bei der Lizenzierung insbesondere von Copyleft-Software sind nach Schulz' Meinung noch zu präzisieren. Dem rechtswissenschaftlichen Diskurs wird diese Meinung sicherlich neues "Brennmaterial" liefern.