Von Axel Metzger
Nach einem Bericht von Urheberrecht.org wird der U.S.-Verlag Prentice Hall noch in diesem Jahr sechs Bücher unter der Open Publication License (OPL) veröffentlichen. Prentice Hall ist einer der größten U.S.-Verlage in den Bereichen Wissenschaft und Schulbuch. Laut Urheberrecht.org begründet Prentice Hall diesen Schritt damit, dass man zahlreiche Bücher an die "Open Source"-Gemeinschaft verkaufe, deshalb sei es nur natürlich, dass man zu dieser Gemeinschaft auch beitragen wolle. Zudem erhoffe sich der Verlag durch die Verbreitung der elektronischen Version bessere Verkaufszahlen bei der gedruckten Fassung. Der Verlag O'Reilly verfolgt bereits seit mehreren Jahren erfolgreich eine entsprechende Lizenzstrategie auf Grundlage der OPL.
Hintergrund:
Während sich das Lizenzmodell "Open Source" im Softwarebereich fest etabliert hat, ist eine Übertragung auf andere Werkformen als sogenannter Open Content bisher nur vereinzelt festzustellen. Zwar mangelt es nicht an Lizenzen für die Bereiche Text, Datenbank, Musik etc. Allein im ifrOSS-Lizenz-Center sind derzeit 28 Open Content Lizenzen gesammelt. Dennoch verhalten sich Kreative und Verlagsverantwortliche bisher eher reserviert.
Wie erklärt sich diese Zurückhaltung? Zum einen ist zu konzedieren, dass sich nicht alle Werkformen in gleichem Maße für ein arbeitsteiliges Vorgehen wie Software eignen. Es liegt auf der Hand, dass der Autor eines politischen Textes nicht jedermann dessen Veränderung gestatten mag, solange er weiterhin als Co-Autor geführt wird - auch wenn die Veränderungen als solche gekennzeichnet werden. Auch im Musikbereich ist das Erfolgsmodell GNU/Linux höchstens in Ausnahmekonstellationen übertragbar. In anderen Bereichen ist Open Content dagegen ohne Weiteres vorstellbar, ja gegebenenfalls sogar dringend geboten. Man denke etwa an die aufwendig gestaltete, aus zeitlich befristeten öffentlichen Mitteln finanzierte "Lehr- und Lerndatenbank" für den Hochschulbereich: Wer pflegt und aktualisiert solche Projekte, wenn die öffentliche Geldquelle eines Tages versiegt. Oder noch drastischer, aber ebenso realistisch: Wer stellt entsprechende Projekte fertig, wenn die Gelder oder das Geschick der Verantwortlichen nicht für die Erstellung eines fertigen "Produkts" genügen? In diesen Bereichen ist Open Source als Lizenzmodell durchaus geeignet, Nutzung und Fortentwicklung durch Dritte zu ermöglichen und durch die Gestaltung entsprechender Lizenzbedingungen auch zu steuern. Dennoch verhält sich die öffentliche Hand hier bislang eher reserviert. Ein Grund für diese Zurückhaltung mag darin liegen, dass die bis heute erstellten Lizenzen wenig bekannt und juristisch kaum untersucht sind.
Vor diesem Hintergrund ist das Beispiel Prentice Hall von besonderem Interesse. Die vom Verlag gewählte OPL gestattet in ihrer Standversion jedermann die Vervielfältigung und Verbreitung von veränderten oder unveränderten Versionen des lizenzierten Werks. In Bedingung IV. sind besondere Anforderungen für die Veränderung von Werken aufgestellt. Diese Bedingungen sind - für das deutsche Rechtsverständnis unglücklich - an die Veränderung an solche geknüpft, nicht nur an die Vervielfältigung und Verbreitung der veränderten Version. Interessant ist, dass der Ursprungsautor nach einer Veränderung des Werkes nicht mehr als Autor genannt werden darf. Vielmehr ist auf den Ursprung des Werkes in Form einer "üblichen wissenschaftlichen Quellenangaben" hinzuweisen. Rechtlich fragwürdig ist die in IV. Nr. 2 geregelte Verpflichtung des Autors einer Veränderung, seine Identität preis zu geben. Das Recht auf anonyme oder pseudonyme Veröffentlichung bleibt hier auf der Strecke - eine Vertragsklausel die nach deutschem und französischem Urheberrecht kaum wirksam sein dürfte.