Rechtsstreit zwischen Novell und SCO muss teilweise neu verhandelt werden

Von Benjamin Roger
 
Am 24. August hat ein US-Berufungsgericht das Urteil aufgehoben, welches Novell die Rechte an UNIX zugesprochen hatte (dazu die Nachricht der Woche vom 27.08.2007). Der viel beachtete Rechtsstreit muss damit teilweise neu verhandelt werden, was für die Linux-Welt von großer Bedeutung ist, weil SCO behauptet, der Linux-Kernel enthalte Teile des UNIX-Codes und daraus Ansprüche gegen Linux-Distributoren und Nutzer ableitet. Das Berufungsgericht räumt Novell zwar gute Erfolgsaussichten ein, beanstandet aber, dass das erstinstanzliche Gericht in einem abgekürzten Verfahren ("summary judgment") ohne Beteiligung einer Jury entschieden hat, obwohl die Sach- und Rechtslage nicht hinreichend klar gewesen sei.

Hintergrund:

Die Parteien streiten über den Inhalt eines Vertrags über den Verkauf von Novells UNIX-Geschäft an SCO (asset purchase agreement, "APA") aus dem Jahr 1995. Während Novell geltend macht, dessen Wortlaut schließe jegliche Übertragung von Urheberrechten aus, beruft sich SCO auf Widersprüche im Vertrag und auf Aussagen ehemaliger Novell-Manager, die behaupten, das gesamte UNIX-Geschäft inklusive der Urheberrechte habe auf SCO übertragen werden sollen.
Weil SCO ferner behauptet, der Linux-Kernel enthalte Teile des UNIX-Codes, läuft dessen Argumentation darauf hinaus, Linux verletzte SCO in seinen Rechten. Dementsprechend bietet das Unternehmen die sog. "SCOsource"-Lizenz an, mit welcher kommerzielle Linux-Anwender die Rechte erhalten sollen, UNIX-Code zu nutzen, und sich so von Ansprüchen SCOs freikaufen. Dieses zweite Glied von SCOs Argumentationskette, die Verwendung von UNIX-Code in Linux, ist umstritten und bildet den Gegenstand eines Gerichtsverfahrens zwischen SCO und IBM, welches auf Eis liegt, seit SCO im September 2007 Insolvenz angemeldet hat.

Aufgrund dieses Vorgehens gegen IBM hatte Novell seinerzeit behauptet, selbst Inhaber der Rechte an UNIX zu sein, und von SCO den Verzicht auf deren Geltendmachung verlangt. Daraufhin erhob SCO Klage wegen Verleumdung. Die Widerklage von Novell stützte sich ebenfalls auf Verleumdung, sowie auf Vertragsverletzung und ungerechtfertigte Bereicherung. Nach einem abgekürzten Verfahren - also nach Aktenlage und ohne Beteiligung einer Jury - hat der District Court Utah am 10. August 2007 die Klage SCOs abgewiesen und der Widerklage stattgegeben; später wurde SCO zur Zahlung von 2,5 Mio. $ aus dem Lizenzgeschäft an Novell verurteilt.

Das Berufungsurteil hat diese Zahlungsverpflichtung aufrecht erhalten, im Übrigen aber der Berufung von SCO stattgegeben. Die maßgebliche Frage war dabei, ob ein abgekürztes Verfahren ("summary judgment") in diesem Fall angemessen war. Diese Frage verneint das Berufungsgericht, weil der Vertrag mehrdeutige Klauseln enthalte, so dass ein "vernünftiger Beurteiler" auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können als das Gericht erster Instanz. Daher müsse der Wille der Vertragsparteien durch weitere Beweisaufnahme geklärt werden. Zwar räumt das Gericht ein, dass Novells Argumente einiges Gewicht hätten und die von SCO vorgebrachten Beweise angezweifelt werden könnten. Doch sei die Sach- und Rechtslage nicht von vornherein so eindeutig, dass der Fall in einem "summary judgment" ohne Beteiligung einer Jury hätte entschieden werden dürfen.

Für das insolvente Unternehmen SCO wird der unlängst bestellte Konkursverwalter (siehe auch hier) zu entscheiden haben, ob und wie das Verfahren fortgesetzt wird. Statt dessen könnte er auch erwägen, die Beilegung des Verfahrens gegen Novells Zahlungsansprüche "einzutauschen", um SCOs Gläubiger befriedigen zu können.