Von Till Kreutzer
Am 21. März wurde vom Bundesministerium der Justiz der mit Spannung erwartete Referentenentwurf zur Umsetzung der so genannten "Multimedia-Richtlinie" der EU vorgelegt. Das Urheberrechtsreferat des ifrOSS hatte in der Diskussionsphase vor der Abfassung des Entwurfs insgesamt drei offizielle Stellungnahmen abgegeben, in denen es für eine Stärkung der Verbraucherrechte im digitalen Umfeld der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke eingetreten ist:
- Stellungnahme zu einer möglichen Neuregelung der Schrankenvorschrift § 53 UrhG und damit zusammenhängender Normen im Zuge der Neuordnung des deutschen UrhG bei der Einarbeitung der Richtlinie 2001/29/EG (PDF-Dokument, 67 KB)
- Stellungnahme zur Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 4 der Richtlinie 2001/29/EG (PDF-Dokument, 73 KB)
- Stellungnahme zur Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2001/29/EG im Verhältnis zu den §§ 69a ff. UrhG (PDF-Dokument, 62 KB)
Das Engagements des Instituts hat angesichts des nun präsentierten Vorschlags lediglich zu einem Teilerfolg für die Rechte der Nutzer geführt.
Hintergrund:
Erfreulich ist zunächst, dass der Referentenentwurf sich auch in Zukunft für die Möglichkeit ausspricht, digitale Kopien ohne Erlaubnis anzufertigen. Die entsprechende Regelung im Urheberrechtsgesetz, § 53 Abs. 1 UrhG blieb inhaltlich unangetastet.
Ebenso erfreulich ist, dass der Bundesgesetzgeber dem Vorstoß des ?Forums der Rechtsinhaber? nicht gefolgt ist, den § 96 UrhG zuungunsten der Verbraucher zu ändern. Diese Initiative der großen Verwerter- und Urheberverbände, wie z.B. der IFPI und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels sowie den deutschen Verwertungsgesellschaften, richtete am 24. Oktober 2001 an das Ministerium eine Stellungnahme zur Urheberrechtsreform, in der angeregt wurde, das Recht zur privaten Kopie massiv zu beschneiden. Die hierfür notwendige Änderung des Urheberrechtsgesetzes sollte bewirken, dass in Zukunft die Rechtmäßigkeit von Vervielfältigungen zu privaten Zwecken davon hätte abhängen sollen, ob die Kopiervorlage ihrerseits rechtmäßig hergestellt wurde. Das ifrOSS hatte dem widersprochen. Mit Erfolg wie sich nun zeigt. Eine solche Regelung hätte zur Folge gehabt, dass Kopien von geschütztem Material, das über das Internet angeboten wird, kaum mehr gefahrlos hätten angefertigt werden können. Denn im Allgemeinen fehlt dem privaten Nutzer die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit solcher Angebote zu überprüfen.
Besonders vehement hatte sich das Institut für eine nutzerfreundliche Regelung des Verhältnisses zwischen den Privilegierungstatbeständen (vor allem zur privaten Vervielfältigung) und dem neuen Schutz vor Umgehung technischer Schutzmaßnahmen eingesetzt. In diesem Spannungsfeld bleibt der Referentenentwurf erheblich hinter den Forderungen des ifrOSS zurück. Das Institut hatte empfohlen - zur Sicherung der privaten gegenüber den wirtschaftlichen Interessen - die Rechtsinhaber zu verpflichten, bei dem Einsatz von technischen Schutzmaßnahmen (z.B. Kopierschutz bei Audio-CDs) dafür zu sorgen, dass Kopien zum privaten Gebrauch und zu anderen privilegierten Zwecken möglich sind. Dieser Vorschlag wurde vom Referentenentwurf auch insoweit aufgenommen, als nach § 96 b Abs. 1 UrhG die Rechtsinhaber verpflichtet sein sollen, den Begünstigten verschiedener Schranken die technischen Mittel zur Verfügung zu stellen, die für die Realisierung ihres Privilegs erforderlich sind.
Von dieser Absicherung ausgenommen ist aber die Vervielfältigung zu privaten Zwecken nach § 53 Abs. 1 UrhG. Damit besteht nach dem Gesetzesentwurf für die Entertainment-Industrie keine Verpflichtung, die Privatkopie bei Einsatz von Schutzsystemen zu ermöglichen. Auf diese Weise wird es in Zukunft der freien Entscheidung der Urheberrechtsindustrie unterliegen, ob digitale Werke kopiert werden können oder nicht. Diese Tatsache ist aus Sicht der Verbraucher umso weniger hinzunehmen, als eine Anpassung der Vorschriften über die Leermedien- und Geräteabgaben (§§ 54 ff. UrhG) nicht vorgesehen ist. Dies heißt im Klartext, dass Pauschalabgaben für die Privatkopiermöglichkeit weiterhin und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dies überhaupt noch möglich ist, vollumfänglich gezahlt werden müssen. Auf diese Weise wird der durch das Urheberrecht geregelte Ausgleich zwischen den Interessen der Rechtsinhaber und denen der Konsumenten in ein erhebliches Ungleichgewicht gebracht.
Vor diesem Hintergrund betrachtet, verlieren die weiteren Mechanismen zum Schutz der Verbraucher, die auf Vorschläge des Instituts hin in den Referentenentwurf übernommen wurden, erheblich an Bedeutung.
Immerhin werden die Rechtsinhaber vom Gesetzesentwurf verpflichtet, die Realisierung der zustimmungsfreien Vervielfältigung zur Aufnahme in ein privates Archiv (nur von eigenen Vervielfältigungsstücken) oder zur eigenen Information über Tagesfragen und anderer Privilegierungen von eher geringer Bedeutung, technisch zu gewährleisten. Verstöße gegen diese Obliegenheit können - wie vom Institut angeregt - nach dem neuen § 111a UrhG von den Kartellbehörden mit Geldbußen bis zu 200.000 Euro geahndet werden. Für die durch einen solchen Verstoß Benachteiligten besteht die Möglichkeit, eine Verbandsklage zu erheben (§ 95 b Abs. 3 UrhG).
Immerhin kann das Institut auch noch einen weiteren Erfolg verbuchen, der darin liegt, dass das neue Umgehungsverbot für technische Maßnahmen keine Anwendung auf Computerprogramme findet, wie in einer Stellungnahme des ifrOSS angeregt wurde. Dies hätte erhebliche Probleme für die Sicherheitskopier- und die Dekompilierungsmöglichkeiten nach sich ziehen können. Allerdings existiert in Bezug auf Software schon seit 1993 eine - wenn auch nicht derart weit gehende - Schutzvorschrift gegen die Umgehung von technischen Schutzvorrichtungen (§ 69 f Abs. 2 UrhG).
Resümee:
Aus Sicht des Schutzes der Belange der Verbraucher bedeutet der Referentenentwurf zur Änderung des Urheberrechts in der ?Informationsgesellschaft? einen erheblichen Rückschritt. Die Absicherung der Nutzer vor einer weit gehenden Beschränkung ihrer Interessen an möglichst freier Nutzung wird durch den Gesetzesvorschlag nicht gewährleistet. Vielmehr wird es der Verwerterindustrie überlassen, einen angemessenen Ausgleich zu schaffen. Sollte der Entwurf in dieser Form umgesetzt werden, laufen die Verbraucher in Zukunft Gefahr, zwar Geräte- und Leermedienabgaben für die Möglichkeit, Vervielfältigungen zu privaten Zwecken anzufertigen, zu zahlen, von dieser Möglichkeit im digitalen Bereich jedoch durch Kopierschutzmechanismen weit gehend ausgeschlossen zu werden.
Es gilt daher, bis zur endgültigen Abfassung des Gesetzes Ungleichgewichtungen der Interessen publik zu machen und zu versuchen, den Gesetzgeber in dem einen oder anderen Punkt noch zu einem Umdenken zu bewegen.