Von Benjamin Roger
Eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Auftrag gegebene Studie (pdf, 83 Seiten, ca. 556 KB) mit dem Titel "Immaterialgüterrechte in der Wissensgesellschaft" befasst sich mit den rechtlichen Enwicklungen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene im letzten Jahrzehnt. Der Autor, ifrOSS-Mitglied Till Kreutzer, legt die einzelnen Änderungen im Urheber- und Patentrecht dar und unterzieht sie einer Würdigung mit Blick auf die verschiedenen betroffenen - partikularen und kollektiven - Interessen. Im Allgemeinen gelangt er zu dem Schluss, dass der Interessenausgleich weitgehend einseitig zugunsten der Rechtsinhaber ausgefallen sei, Bedürfnisse der Allgemeinheit allenfalls nachrangig berücksichtigt worden seien.
Hintergrund:
Nicht umsonst beschäftigt das Recht der Immaterialgüter zunehmend die Öffentlichkeit: vor allem das Urheberrecht, führt Kreutzer aus, sei zu einem "Ordnungs- und Verhaltensrecht für alle Bevölkerungsschichten" geworden. Gerade die Nutzung des Internets bestehe aus zahllosen urheberrechtlich relevanten Handlungen, es habe eine Verschiebung in den "privaten und 'nicht-professionellen' Bereich" stattgefunden. Dementsprechend wäre es nötig, die spezielle Materie der Immaterialgüterrechte so zu gestalten, dass die immer zahlreicheren Betroffenen ihre Rechte und Pflichten kennen - doch Urheber- und Patentrecht zu handhaben sei "heute komplizierter denn je".
Inhaltlich gilt die Untersuchung jüngeren Veränderungen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene, insbesondere den "Gesetze zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" (sog. 1. und 2. Korb, vgl. Nachricht der Woche vom 9.07.2007) sowie dem Entwurf eines "Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums". Eingehend wird dabei zum einen die rechtliche Problematik von Softwarepatenten behandelt, sowohl in der aktuellen Ausgestaltung als auch in der rechtspolitischen Diskussion. Es ließe sich bisher nicht belegen, so der Autor, dass eine weitergehende Erteilung solcher Patente einen positiven Nutzen entfalten würden; solange das so sei, seien solche Maßnahmen zu vermeiden. Daneben steht der urheberrechtliche Schutz "technischer Maßnahmen" (DRM) exemplarisch für die kritisierte einseitig ausgerichtete Politik des "geistigen Eigentums": den Rechtsinhabern werde weitgehende Kontrolle nicht nur über Reproduktion und Verbreitung, sondern selbst über den Genuss der Werke eingeräumt. Der Gesetzgeber gebe "seine Verantwortlichkeit für wichtige Regelungsaspekte damit zugunsten der Interessen der Privatwirtschaft auf“ (S. 45). Dadurch werde der Zugang zu Information behindert und eine "Zwei- oder Mehr-Klassen-Informationsgesellschaft" befördert. Solchen "Kollateralschäden" (S. 43) stünde eine "zumindest zweifelhafte" Erreichung der erklärten Ziele - Schutz vor unkontrollierter Nutzung und Verbreitung - gegenüber. Dabei sei die These längst widerlegt, wonach ein höheres Schutzniveau ausnahmslos positiv für die Produktion von Immaterialgütern sei; das zeige nicht zuletzt der Erfolg der Open-Source- und Open-Content-Modelle.
Einen weiteren - bürgerrechtlich relevanten - Aspekt der Untersuchung bildet der Umgang mit personenbezogenen Daten, besonders bei geplanten Auskunftsansprüchen gegen Provider. Es könne kein Zweifel bestehen, so die Studie, dass datenschutzrechtliche Belange "auf bedenkliche Art und Weise zurückgestellt wurden, um die Rechtsverfolgung von Immaterialgüterrechten zu stärken."