U.S.-Urteil: Verantwortlichkeit für Urheberrechtsverletzung durch Tauschbörsensoftware

Von Carsten Schulz
Bereits Ende April 2003 entschied der U.S. District Court for the Central District of California, dass die Softwarehersteller Grokster und StreamCast Networks nicht für die Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden könnten, die durch die Nutzer ihrer Computerprogramme begangen würden. Die Kläger (u.a. Metro-Goldwyn-Mayer Studios) kündigten gegen das Urteil umgehend Berufung an.
Die beklagten Parteien bieten Software an, die es ermöglicht, die Tauschnetzwerke Grokster bzw. Morpheus zu nutzen (Download des Urteils hier).

Hintergrund:

Das Urteil überrascht auf den ersten Blick, waren doch die Kläger davon ausgegangen, dass ähnlich wie im Fall Napster eine Verantwortlichkeit für die durch die Softwarenutzer begangenen Urheberrechtsverletzungen festgestellt würde. Grundlage der abweichenden Entscheidung sind jedoch signifikante Unterschiede gegenüber Napster in den von Grokster und StreamCast Networks verwendeten Technologien. Diese veranlassten das Gericht, sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Urheberrechtsverletzung zu verneinen.

Im wesentlichen lagen der Entscheidung dabei die folgenden Erwägungen zugrunde:
Sowohl die von Grokster genutzte FastTrack Networking Technologie als auch die von StreamCast verwendete Open Source Software Gnutella stellen anders als Napster keine zentralen Indizierungs- und Suchfunktionen zur Verfügung.
Gnutella stellt ein reines Peer-to-Peer Netzwerk dar, bei dem der Datenaustausch vollständig dezentralisiert erfolgt. Die Suchanfragen der einzelnen Nutzer werden jeweils von den angeschlossenen (Nutzer-) Rechnern weitergegeben, bis das Ergebnis gefunden wurde. Der anschließende Datentransfer erfolgt direkt zwischen den beiden Nutzern.
Beim FastTrack Networking Verfahren gruppieren sich (vereinfacht) die einzelnen Rechner um dezentrale "supernodes", so dass zwar eine gewisse Bündelung der Informationen an diesen Knoten erfolgen kann. Diese "supernodes" sind aber keine feststehenden Knoten. Die Software steuert die Generierung dieser Knoten vielmehr automatisch, so dass jeder einzelne Nutzerrechner einen entsprechenden Status erhalten kann.

Diese dezentrale Struktur der Gnutella und FastTrack Netzwerke habe zur Folge, dass die beklagten Parteien - anders als im Falle der von Napster genutzten Technologien - ihre eigenen Rechner abschalten könnten, ohne dass die Netzwerknutzung durch die einzelnen Nutzer beeinträchtigt würde. Die beklagten Parteien könnten daher auch anders als Napster die einzelnen angebotenen Inhalte nicht kontrollieren, seien diese rechtmäßig oder rechtswidrig.
Allein der Vertrieb der Software stelle aber noch keine Urheberrechtsverletzung dar. Die Software könne ebenso für rechtmäßige wie auch für rechtswidrige Zwecke eingesetzt werden. Damit unterscheide sich der Vertrieb der Software nicht wesentlich z.B. vom Vertrieb von Videorecordern oder Fotokopierern. Auch deren Hersteller wüssten oder müssten wissen, dass eine rechtswidrige Verwendung der Geräte möglich sei und teilweise auch erfolge. Mitverantwortlichkeit trete jedoch erst dort ein, wo eine aktive oder substantielle Unterstützung der einzelnen Verletzungshandlung erfolge.

Interessant an der Entscheidung ist schließlich, dass das Gericht ausdrücklich nicht ausschließen wollte, dass die dezentralisierte technische Ausgestaltung der Software möglicherweise gerade in der Absicht erfolgt sei, urheberrechtliche Verantwortlichkeiten zu vermeiden. Das Gericht könne jedoch die Urheberrechtsgesetze nicht über seine Grenzen hinaus ausdehnen. Eine Anpassung an technische Entwicklungen und ein entsprechender Interessenausgleich zwischen den verschiedenen widerstreitenden Interessen seien vielmehr allein die Aufgabe des Gesetzgebers.