WIPO/WTO: Gemeinsame Initiative zur Umsetzung des TRIPS-Abkommens

Von Carsten Schulz
 
Die World Intellectual Property Organization (WIPO) und die World Trade Organization (WTO) haben eine Initiative ins Leben gerufen, welche die am wenigsten entwickelten Staaten bei der Umsetzung der Vorgaben aus dem WTO-Abkommen über die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkunft) unterstützen soll. Angeboten werden im Rahmen dieser Initiative unter anderem eine Beratung bei der Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens sowie Hilfestellungen beim Aufbau geeigneter Rechtsverfolgungsorgane.
Die am wenigsten entwickelten Länder ("Least-developed Countries") müssen, soweit sie WTO-Mitgliedstaaten sind, ihre Gesetzgebung bis zum 1.Januar 2006 mit den Vorgaben des TRIPS-Übereinkommens in Einklang bringen und geeignete Verfahren erarbeiten, die eine effektive Rechtsverfolgung bei illegalen Kopien, Warenfälschungen und anderen Möglichkeiten der Verletzung geistiger Eigentumsrechte gewährleisten.

Hintergrund:
Das TRIPS-Übereinkommen wurde im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT ausgehandelt und ist Bestandteil des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) vom 15.04.1994. Mit dem Beitritt zur WTO ist auch der Beitritt zum TRIPS zwingend verbunden. TRIPS enthält völkerrechtliche Verpflichtungen der Zeichnerstaaten u.a. für das Urheberrecht, Markenrecht und Patentrecht, für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, für die Kontrolle wettbewerbswidriger Praktiken im Zusammenhang mit Lizenzverträgen sowie für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Rechtsbehelfe, Sanktionen etc.).

Zentraler Gegenstand der Verhandlungen zum TRIPS-Übereinkommen war von vornherein auch die Etablierung eines internationalen urheberrechtlichen Mindestschutzes für Computerprogramme: Das TRIPS-Übereinkommen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zum Schutz der Quell- und Objektprogramme vor Vervielfältigung, Verbreitung und Bearbeitung (vgl. insb. Art. 9 ff. TRIPS).
Dabei waren die Ausgangspositionen zunächst sehr divergent. Während insbesondere die USA einen sehr weitgehenden Schutz befürworteten, wollten einige Entwicklungsländer den Schutz zeitlich und inhaltlich nur sehr begrenzt zulassen. Die Haltung der EU war geprägt von internen Diskussionen zur EU-Computerprogrammrichtlinie, die noch während der TRIPS- Verhandlungen verabschiedet wurde.

Bemerkenswert am TRIPS-Schutz des geistigen Eigentums ist vor allem die Verknüpfung mit dem auf Liberalisierung des grenzüberschreitenden Handels abzielenden Allgemeinen Zoll- und Handelsübereinkommen (GATT), welches als GATT 1994 ebenfalls Bestandteil des WTO-Übereinkommens ist. Hier sollten - durch die zwingende Verknüpfung von Fragen des geistigen Eigentums mit den Vorzügen des internationalen Freihandels auch für weniger entwickelte Staaten (z.B. auf den Gebieten der Landwirtschaft und Textilindustrie) - Anreize für einen Beitritt zu diesem Übereinkommen geschaffen werden, die in dieser Weise bei den klassischen internationalen Übereinkommen zum Schutz geistigen Eigentums nicht bestehen.

In jüngerer Zeit hatte das TRIPS-Übereinkommen in der europäischen Debatte um einen patentrechtlichen Schutz von Computersoftware für Konfliktstoff gesorgt: Art. 27 TRIPS bestimmt, dass ein Patentschutz für Erfindungen in allen Bereichen der Technik gewährleistet werden muss, gleich ob Produkte oder Prozesse, wenn diese neu sind, eine hinreichende Erfindungshöhe aufweisen und industriell verwertet werden können. Damit beschränke das TRIPS-Abkommen die Mitgliedsländer der WTO einschneidend in ihrem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Definition für nicht patentfähig gehaltener Gegenstände (vgl. Horns, Der Patentschutz für softwarebezogene Erfindungen im Verhältnis zur "Open Source"-Software, Abs. 72).
Auch im Hinblick auf die Etablierung des TRIPS-Schutzes in den Entwicklungsländern ("Developing Countries") und den am wenigsten entwickelten Ländern ("Least Developed Countries") bestehen nach wie vor zahlreiche generelle Vorbehalte: Die Mehrzahl der Erfindungen und schutzfähigen Werke stammten von Rechteinhabern aus Industrieländern. Dies führe dazu, dass ein umfangreicher Transfer der erwirtschafteten Monopolrenten in die Industrieländer als Sitz der Rechteinhaber zu erwarten sei. Zugleich schränke die Gewährung zeitlich befristeter Monopole den Nachahmungswettbewerb in den Entwicklungsländern erheblich ein und führe damit zu höheren Konsumentenpreisen sowie einer Verdrängung inländischer Konkurrenten. Hinzu komme, dass die Entwicklungsländer die administrativen Kosten des Schutzes geistigen Eigentums zu tragen hätten, ohne selbst von einem solchen Schutzsystem zu profitieren (ausführlich Durán/ Michalopoulos, Intellectual Property Rights and Developing Countries in The WTO "Millennium" Round).