BGH usedSoft II: Der Lizenzvertrag definiert die bestimmungsgemäße Benutzung

Von: Dipl.-Jur. Dennis G. Jansen, LL.M. (Berkeley)

Der EuGH hatte im Juli 2012 im Rechtsstreit Oracle ./. usedSoft entschieden, dass auch die unkörperliche Kopie einer Software eine Erschöpfung der Rechte des Autors an der speziellen Kopie des Werkes zur Folge haben kann (wir berichteten). Nun hat der BGH in seiner Urteilsbegründung (17.07.2013 – Az. I ZR 129/08) erläutert, wie die EuGH-Entscheidung zur Erschöpfung der Rechte an einer Softwarekopie nach erstem Verkauf auf deutsches Recht einwirkt.

 

Verfahrensgang

Wir berichteten bereits über die Rechtsprechung betreffend das Geschäftsmodell von usedSoft. UsedSoft handelt mit „gebrauchten“, also bereits verkauften Softwarelizenzen. In diesem Fall verkaufte usedSoft Lizenzen für Oracle-Software. Während Microsoft 2006 vor dem Landgericht Hamburg mit einer vergleichbaren Klage noch gescheitert war (wir berichteten), erwirkte Oracle vor dem Landgericht München im März 2007 eine Unterlassungsverfügung gegen usedSoft, die das OLG München im Juli 2008 bestätigte. Das OLG München sah bei dem Rechtsstreit auch keine grundsätzliche Bedeutung oder ein Erfodernis, das Recht fortzubilden. In Folge einer Nichtzulassungsbeschwerde von usedSoft legte der BGH den Rechtsstreits teilweise dem EuGH vor.

Der EuGH entschied (03.07.2012 – C-128/11), dass auch die unkörperliche Kopie einer Software (also z. B. ein Download) gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 eine Erschöpfung der Rechte des Autors an einer Kopie seines Werks zur Folge haben kann. In anderen Worten darf der Käufer einer Kopie eines Computerprogramms seine Kopie grundsätzlich weiterverkaufen, auch wenn er diese Kopie unkörperlich, also z. B. durch Download, erlangt hat. Ähnlich hatte das Landgericht Hamburg im Jahr 2006 entschieden (wir berichteten). Davon sind, so der EuGH, auch nach dem Verkauf aktualisierte Programmversionen erfasst.

 

Umsetzung

Der BGH hat diese Entscheidung in deutsches Recht, also § 69c Nr. 3 UrhG und § 69d UrhG, umgesetzt und kürzlich die Begründung zu seiner diesbezüglichen Entscheidung (vom 17.07.2013 – Az. I ZR 129/08) veröffentlicht. Neben der Übernahme der Erfordernisse an die Erschöpfung des Verbreitungsrechts stellt der BGH dabei bereits in den Leitsätzen fest, dass der Käufer gebrauchter Software vor Gericht beweisen muss, dass er zur Nutzung der „gebrauchten“ Kopie berechtigt ist.

Weiter stellt der BGH klar, dass auch der Käufer einer gebrauchten Kopie nur zur "bestimmungsgemäßen" Nutzung berechtigt ist. Und was eine bestimmungsgemäße Nutzung ist, so der BGH, ergibt sich aus dem Lizenzvertrag des Erstkäufers mit dem Lizenzgeber. Das eröffnet auf den ersten Blick weite Möglichkeiten zur Gestaltung eines Lizenzvertrages in einer Form, die eine Erschöpfung in der Praxis verhindert. Auch wenn der BGH feststellt, dass Nacherwerber durch vertragliche Bestimmungen an der „bestimmungsgemäßen“ Benutzung nicht gehindert werden können, ändert sich das Ergebnis nicht - wird doch die bestimmungegemäße Nutzung gerade vom Lizenzgeber definiert.

Im Übrigen stellt der BGH bereits klar: Die Grundsätze der Störerhaftung führen möglicherweise zur Haftung des Händlers mit gebrauchter Software. Der Händler kann also für Urheberrechtsverletzungen seiner Käufer haften - undzwar auch, wenn die Käufer die Software direkt vom Hersteller herunterladen. Die Frage der Umstände, unter denen Volumenlizenzen aufgespalten werden dürfen, ist auch nach der Entscheidung des BGH umstritten.

 

Bedeutung für Open Source

Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung für Open Source Software wenig Folgen haben wird. Der EuGH stellte bereits klar, dass für eine Erschöpfung die Lizenz des Erstkäufers „gegen Zahlung eines Entgelts“ eingeräumt sein muss. Darüber hinaus stellt der EuGH fest, dass dieses Entgelt dem Lizenzgeber „ermöglichen [soll], eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen“. Da Open Source Software regelmäßig nicht gegen Entgelt - erst recht kein dem Wert entsprechendes - lizenziert wird, sondern höchstens gegen Entgelt Kopien übermittelt werden, erscheint die Entscheidung bereits von vorne herein nur sehr selten anwendbar.

Die Folgen wären aber wohl auch nicht so dramatisch wie außerhalb der Welt der Open Source Software. Da die vom EuGH angewandte Vorschrift Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 nur das Recht zur Verbreitung erfasst, und nicht das Recht zur Bearbeitung oder Umarbeitung, wäre sie in der Praxis wohl selten von großer Relevanz. Denn Open Source Lizenzen bieten regelmäßig bereits von sich aus weitgehende Rechte zur Verbreitung von Kopien – sogar wenn die Verbreitung kostenpflichtig geschieht. Regelmäßig fallen erst z. B. bei einer Bearbeitung oder Kombination der Software mit anderen Elementen weitere Verpflichtungen an.

Höchstens könnte also - angenommen die Rechtsprechung fände auf Open Source Lizenzen überhaupt Anwendung - die eine Verpflichtung bezüglich der Verbreitung von Kopien wegfallen. Hier kommt z. B. die Verpflichtung in Betracht, Binärcode nur mit vollständigem Quellcode zu verbreiten (etwa Klausel 6 der GPLv3). Diese Verpflichtung könnte also für Käufer gebrauchter Lizenzen nicht oder nur eingeschränkt gelten. Die Einstufung von Open Source Lizenzen als Verkauf und damit eine solche Wirkung erscheint derzeit aber abwegig. Denkbar wäre eine Anwendung der Rechtsprechung auf Open Source Software mit der Folge der Erschöpfung von Kopien nach Auffassung des Autors derzeit nur in wenigen Szenarien, etwa bei der Entwicklung von Open Source Software als Auftragsarbeit.

Ausblick

Dass sich die bestimmungsgemäße Nutzung der Software laut BGH aus dem Lizenzvertrag des "Erstkaufs" ergibt, könnte es Softwareherstellern leicht machen, die Erschöpfungswirkung zu vermeiden. Ob der EuGH dies so wollte, ist unklar. Dass sich Softwarehersteller an die neue Rechtslage anpassen war aber von Anfang an zu erwarten. Damit dürften die praktischen Auswirkungen in Zukunft nicht nur für den Bereich der Open Source Software begrenzt bleiben.