Von RA Olaf Koglin
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat in der vergangen Woche die Eckpunkte der anstehenden Urheberrechtsreform vorgestellt. Zu dem Inhalt des sog. "Zweiten Korbs" der Anpassungs des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft gab es aus vielen politischen und gesellschaftlichen Lagern Kritik. Wie bei dem Streit zum Ersten Korb geht es dabei in vielen Punkten darum, ob im digitalen Zeitalter Informationen und Bildung in einem einem bestimmten Umfang frei zugänglich sein sollen, um eine Spaltung der Informationsgesellschaft in einen informierten und in einen uninformierten Gesellschaftsteil zu vermeiden, oder ob in der digitalen Welt die Rechteinhaber wegen der verstärkten Bedrohung durch Kopien gestärkt werden müssen, indem Werke proprietarisiert und und insbesondere die Privatkopie verboten wird.
Zunächst einmal: Nicht in das Eckpunktepapier hat es die Forderung der Rechteindustrie geschafft, einen neuen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch der Rechteinhaber gegen ISP´s zu erhalten. Zu Recht, denn auch die Überlastung der Justiz rechtfertigt es nicht, den Datenschutz und das staatliche Monopol der Auskunftsrechte aufzugeben. Wie jeder andere müssen sich auch Rechteinhaber beim Verdacht einer Straftat an die Strafverfolgungsbehörden wenden. Die Opposition sieht das freilich anders. Der Mönchengladbacher CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Krings stellt auf seiner Homepage fest, "Texte lesen und Fotos anschauen machen aber nur das halbe Internet aus". Die andere Hälfte soll seiner Ansicht nach wohl der Auskunftsanspruch der Provider ausmachen, mit dem die Rechteinhaber ohne staatliche Kontrolle private Daten der User erhalten wollen. "Was nutzt den Musikunternehmen oder den Filmproduzenten das schönste Kopierverbot, wenn sie es mangels Information niemals vor einem Zivilgericht durchsetzen können?", fragt der Jurist, der für die CDU/CSU-Fraktion Berichterstatter für "Geistiges Eigentum" ist.
Ganz pragmatische Lösungen hat das Bundesministerium für den Themenkomplex "Neue Nutzungsarten". Seit jeher sah das deutsche Urheberrecht vor, dass der Urheber nur Nutzungsrechte für bereits bekannte Nutzungsarten verkaufen kann. Denn hinsichtlich noch nicht bekannter, zukünftiger Nutzungsarten kann der Urheber nicht vorhersagen, welchen Wert ein solches Nutzungsrecht haben würde. Da das deutsche Urheberrechtssystem bislang vornehmlich den Urheber und nicht die Rechteverwerter schützen wollte - daher heißt es auch "Urheberrecht" und nicht, wie das anglo-amerikanische System, "Kopierrecht/Copyright" - waren solche Rechtsgeschäfte unwirksam. Nach der Entstehung neuer Nutzungsarten - namentlich der Nutzung im Internet - müssen dann die Urheber bzw. Rechteinhaber herausgefunden werden, falls jemand von ihnen entsprechende Nutzungsrechte erwerben will. Dies ist in der Tat sehr unpraktisch, und manche wertvollen Archive können aus diesem Grund nicht im Internet genutzt werden. Daher will das Ministerium das bisherige Recht umdrehen und Geschäfte über zukünftige Nutzungsarten zulassen. An den bisher ungenutzten Archiven sollen sogar ohne weiteren Vertrag gegen eine "angemessene Vergütung" neue Nutzungsrechte eingeräumt werden.
Eine weitere pragmatische Sonderregelung soll es für die Filmwirtschaft geben: Da Produzenten meist kleine Betriebe ohne Juristen seien, erhalten sie von nun an kraft Gesetz alle erforderlichen Verwertungsrechte.
Bei der Privatkopie will das Justizministerium nichts ändern, allerdings soll "das geltende Recht klarer gefasst" werden: Verboten ist die Privatkopie nicht mehr dann, wenn sie von einer rechtswidrig hergestellten Vorlage gemacht wird, sondern wenn sie von einer rechtswidrig genutzten Vorlage stammt. Die Anforderungen, die das Justizministerium an seine rechtstreuen Bürger stellt, sind da schon höchst unterschiedlich: Wer einen Kinofilm produziert, bekommt zu seiner Rechtssicherheit Sonderregelungen, da er häufig keinen fest angestellten Juristen hat. Wer als Bürger etwas aus dem Internet herunterlädt, muss hingegen erkennen, ob die Vorlage offensichtlich rechtswidrig genutzt (und nicht etwa nur hergestellt) wurde.
Noch erschreckender wird diese Anforderung, wenn man die Rechtssicherheit beim Download von Dateien konkretisieren will: Zwar sollte laut Justizministerium mit der Umstellung von der rechtswidrig hergestellten auf die rechtswidrig genutzte Vorlage Rechtsklarheit geschaffen werden. Wie Volker Grassmuck schildert, konnte die Justizministerin bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfes gleichwohl nicht beantworten, ob das Herunterladen einer aktuellen Pop-CD nun legal sei oder nicht.
Schief erscheinen auf den ersten Blick die Möglichkeiten der Bibliotheken, um in der Informationsgesellschaft ihrem Bildungsauftrag nachzukommen. Durch die oben geschilderten neuen Nutzungsrechte an früher unbekannten Nutzungsarten sollen sie ihre Archive nun digital nutzen und im Internet zur Verfügung stellen können. Soweit zu den Altbeständen. An neuen Werken hingegen können Bibliotheken zwar im Rahmen ihrer finanziellen Austattung Lizenzen erwerben und dürfen diese dann an lokalen elektronischen Leseplätzen verwenden. Diese dürfen jedoch nicht an das Internet angeschlossen sein. Damit muss man im Informationszeitalter für neue digitale Informationen die Bibliotheken aufsuchen, während die alten Archive online verfügbar sind. Doch ohne Bibliotheken unter Zurückdrängung der Rechteinhaber zum weltweiten elektronischen Provider aller digitalen Daten zu ermächtigen, wäre eine einheitliche Lösung für alte und neue Bestände hier schwer möglich gewesen.