Von Dr. Julia Küng
Die Stadt München hatte ihr weltweit Aufmerksamkeit erregendes Projekt, alle ihre ca 14.000 Rechner auf Linux umzustellen, vorerst auf Eis gelegt. Der Grund dafür liegt in finanziellen und rechtlichen Risiken, die wegen der Softwarepatentpläne auf EU-Ebene und insbesondere der politischen Einigung des EU-Wettbewerbsrates befürchtet werden. Die für Ende Juli 2004 von der Stadt München vorgesehene Ausschreibung des "LiMux Base Client" wurde gestoppt, da zuerst die von Softwarepatenten ausgehenden Gefahren geprüft werden müssten. Nachdem aber die zu einem nicht geringen Teil auf Panikmache basierende Unterbrechung der Linux-Umstellung von mehreren Seiten stark kritisiert worden war und auch das Justizministerium die Sorgen der Stadt zu beschwichtigen versucht hatte, gab der Bürgermeister der Stadt München, Christian Ude, am 11. August bekannt, dass das LiMux-Projekt fortgesetzt wird. Dies lässt vorläufig aufatmen.
Unterdessen beschreitet die Stadt Wien ungeachtet der Debatten in Bayern einen für sie neuen Weg. Ab dem zweiten Quartal 2005 soll den MitarbeiterInnen in Bezug auf rund 7.500 der 16.000 Computerarbeitsplätze die Wahl überlassen werden, ob diese auf Produkten von Microsoft oder auf freier Software wie Linux arbeiten wollen. Der IT-Chef der österreichischen Bundeshauptstadt, Erwin Gillich, spricht von einer "sanften Migration", bei der vermutlich zuerst jene MitarbeiterInnen wechseln würden, deren Computerkenntnisse bereits ausreichend seien. Als Investition ist eine einmalige Open Source-Ausgabe von 100.000 Euro geplant und die Betriebskosten sind für die kommenden fünf Jahre mit 1,1 Millionen Euro angesetzt.
Hintergrund:
Unter dem Titel "Open Source - München fordert Klarheit" legte der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude vergangene Woche die von der Stadt aufgrund der politischen Einigung des Ministerrats zur Softwarepatentrichtlinie für Open Source Software befürchteten Risiken dar, machte aber auch deutlich, dass die Stadt am LiMux-Projekt festhalten werde. Im Ergebnis verlangt die Stadt das Abstehen von jeglichen Zweideutigkeiten: Wenn weder die Bundesregierung noch die EU-Gremien eine Verschlechterung gegenüber dem EU-Parlamentsbeschluss von September 2003 wollen, so sollten sie auch durch "entsprechend eindeutige Formulierungen ... sicherstellen, dass sich der Status für Open Source - und natürlich auch alle weiteren EntwicklerInnen von Softwarelösungen in kleinen und mittelständischen Unternehmen - gegenüber dem Parlamentsbeschluss nicht verschlechtert". Die Stadt München bittet nun das EU-Parlament, die Bundesregierung, den Bundestag und weitere nationale und internationale Gremien sowie Kommunen, die von einer Gesetzesänderung ebenfalls beeinträchtigt würden, um Unterstützung. Außerdem werden Rechtsgutachten zu den Unterschieden zwischen der Richtlinien-Fassung des EU-Parlaments und jener des EU-Ministerrats eingeholt sowie eine Auskunft von der Bundesregierung verlangt werden, warum eine Änderung der im EU-Parlament beschlossenen Fassung überhaupt notwendig ist.
Die Stadt Wien geht die Umstellung auf Linux im Vergleich zu München ruhiger an: So werden die MitarbeiterInnen erst einmal nur auf freiwilliger Basis umsteigen. Wie sich dieses System bewährt, wird dann im Jahr 2006 evaluiert werden, um aufgrund der Ergebnisse die weitere Vorgehensweise festzulegen. Dass Microsoft angesichts des nur ein Jahr nach dem Komplettumstieg der Stadt München erfolgenden partiellen Wechsels der Stadt Wien zu Linux begeistert wäre, wäre wohl zuviel erwartet. Immerhin aber begrüßt Microsoft-Sprecher Thomas Lutz, "dass die Stadt Wien die freien Kräfte des Marktes ohne ideologische Scheuklappen betrachte".