Landgericht Hamburg: usedSoft darf weiter mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen handeln

Von Dr. Julia Küng
 
Wie jetzt durch eine Pressemeldung des Unternehmens usedSoft bekannt wurde, hat das Landgericht Hamburg (mit Urteil vom 29.06.2006, 315 O 343/06) die einstweilige Verfügung, mit der usedSoft verboten wurde, den Verkauf von „gebrauchten“ Softwarelizenzen zu bewerben, aufgehoben.Das Gericht erkennt keine Verletzung von Urheberrechten von Microsoft, sondern kommt zum Ergebnis, dass Microsoft durch den Abschluss von Volumenlizenzverträgen (zB Select-Verträgen) die Kontrolle über diese Lizenzen verliert und es usedSoft gestattet ist, diese aufzukaufen und weiterzuveräußern. Damit entschied das LG Frankfurt anders als das LG München I am 19.01.2006 (Az: 7 O 23237/06) und das OLG München am 03.08.2006, die usedSoft den Handel mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen in dem von ihnen zu entscheidenden Fall untersagt haben. Aus juristischer Sicht ist die Entscheidung besonders interessant, weil Dreh- und Angelpunkt die - stark umstrittene - Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes auf die unkörperliche Software-Überlassung ist, für die sich das LG Hamburg entschieden hat.

Hintergrund:

Konkret geht es in der Entscheidung des LG Hamburg um folgendes Geschäftsmodell: Microsoft schließt mit Großkunden Volumenlizenzverträge ab. Das sind Verträge, wonach die Großkunden eine sogenannte Masterkopie erhalten, auf der die jeweilige lizenzierte Software gespeichert ist. Mithilfe dieser Masterkopie installieren sie die darauf enthaltene Software auf den Rechnern der Kunden. UsedSoft erwirbt (nach dem vorliegenden Sachverhalt) von einem Microsoft-Volumenlizenzpartner Softwarelizenzen, die dieser nicht mehr benötigt. Der Microsoft-Volumenlizenzpartner sichert zu, dass er die Software davor auf der der Zahl der Softwarelizenzen entsprechenden Anzahl von Rechnern gelöscht hat. Dann veräußert usedSoft diese Lizenzen an Dritte weiter – ohne dass eine Zustimmung von Microsoft zu dieser Vorgehensweise vorliegt.

Gegen dieses Geschäftsmodell ging ein Microsoft-Vertragspartner vor, der Microsoftprogramme mit Originalherstellerlizenz vertreibt. Er beantragte, es usedSoft zu untersagen, den Verkauf dieser nicht direkt von Microsoft erworbenen Lizenzen zu bewerben, da der Verkauf ohne Zustimmung von Microsoft nicht wirksam möglich und dessen Bewerbung daher irreführend sei.bDas Landgericht Hamburg hatte daher zu entscheiden, ob dieses Geschäftsmodell tatsächlich rechtswidrig ist und kam zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall ist: „Durch die in Erfüllung des jeweiligen Volumenlizenzvertrages – wie etwa eines Microsoft Select-Vertrages – erfolgte Einräumung von Nutzungsrechten an Software hat sich das Verbreitungsrecht von Microsoft in Bezug auf jedes einzelne eingeräumte Nutzungsrecht, welches jeweils als ein eigenständig zu beurteilendes Vervielfältigungsstück der Software zu behandeln ist, erschöpft.“

Dieses Ergebnis ist deshalb so interessant, weil § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG für die „Erschöpfung“ des Verbreitungsrechts (= Verlust der Kontrollmöglichkeit über die Weiterveräußerung der Software durch den Urheber) das Inverkehrbringen eines Vervielfältigungsstücks verlangt wird. Damit sind aber - zumindest derzeit noch überwiegend - nur körperliche Stücke wie CD-ROMs, Disketten oder andere Datenträger gemeint, nicht jedoch die bloße Software ohne Datenträger selbst.

Das LG Hamburg begründete die Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes folgendermaßen: „Das Verwertungsinteresse in Bezug auf Software unterscheidet sich indes nicht danach, ob die einzelnen Nutzungsrechte in Erfüllung des jeweiligen Volumenlizenzvertrages körperlich oder unkörperlich (...) überlassen werden. Das Ergebnis ist das gleiche: Im einen wie im anderen Fall ist die Software letztlich auf einer Anzahl von Rechnern (zeitlich unbeschränkt) nutzbar, die der Anzahl der übertragenen Nutzungsrechte entspricht. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grunde das urheberrechtliche Verbreitungsrecht in Bezug auf Softwarenutzungsrechte (...) danach unterschiedlich behandelt werden sollte, ob der Rechtsinhaber das jeweilige Nutzungsrecht durch die Überlassung einzelner – verkörperter – Vervielfältigungsstücke (etwa einzelner CD-ROMs), Online oder im Wege der Überlassung einer – mehrfach nutzbaren – Masterkopie eingeräumt hat. Es kann nicht in der Hand des Rechtsinhabers liegen, durch die Wahl einer bestimmten Art der Einräumung (zeitlich) unbeschränkter Nutzungsrechte in Erfüllung eines jedenfalls kaufvertragsähnlichen Vertrages zulasten der Gläubiger seines Kunden die Vollstreckung in von letzterem erworbene Software, die einen erheblichen Vermögenswert darstellen kann, zu verhindern.“

Die im Microsoft-Vertrag enthaltene Bestimmung „Eine Übertragung, die die Anforderungen oder Einschränkungen dieses Absatzes verletzt, ist nichtig.“, ändere nichts an diesem Ergebnis, weil der Erschöpfungsgrundsatz zwingend sei. Ob sich diese Rechtsansicht des LG Hamburg zur Erschöpfung bei unkörperlicher Veräußerung von Werkstücken durchsetzt, bleibt abzuwarten. Es spricht jedoch einiges für sie.