Microsoft gibt Protokolle und Schnittstellen an freie Softwarewelt heraus

Von Dr. Axel Metzger
 
Eine sensationelle Entwicklung ist im Weihnachtsrummel etwas untergegangen: Microsoft hat sich mit Vertretern der freien Softwarewelt auf die Herausgabe der Protokolle und Schnittstellen für Windows Server Software geeinigt. Der Lizenzvertrag wurde mit der eigens hierfür ins Leben gerufenen „Protocol Freedom Information Foundation“ (PFIF) geschlossen, einer Ausgründung des New Yorker Software Freedom Law Center. Er soll zunächst vor allem dem Samba-Projekt zugute kommen. Das PFIF ist aber allgemein befugt, Unterlizenzen an Dritte zu vergeben, sofern sich diese an die Spielregeln, insbesondere die Geheimhaltungspflichten aus dem Vertrag halten. Die Vereinbarung hat damit auch über Samba hinaus Bedeutung für die Open Source-Welt.

Hintergrund:

Microsoft war im März 2004 von der Europäischen Kommission zur Herausgabe der zur Herstellung der Interoperabilität erforderlichen Informationen verpflichtet worden, im September 2007 wurde die Entscheidung vom Europäischen Gericht erster Instanz bestätigt. Auf weitere Rechtsmittel wurde in der Folge verzichtet. Unklar blieb dabei zunächst, auf welche Weise Microsoft dieser Verpflichtung gegenüber der freien Softwarewelt nachkommen würde. Diese Frage konnte nun überraschend schnell geklärt werden.
Das veröffentlichte "Microsoft Work Group Server Protocol Program License Agreement" enthält eine Reihe interessanter Details. Nach Ziffer 2.1 (b) kommt dem PFIF die nicht weiter eingeschränkte Befugnis zu, Dritten eine Nutzung der Materialien unter den Bedingungen des Vertrags zu gestatten. Eine Zustimmung Microsofts bedarf es für weitere Unterlizenzen also nicht. Ziffer 3 des Vertrags spezifiziert die Herausgabepflicht. So sind etwa bei Updates jeweils von Microsoft die aktuellen Informationen zur Verfügung zu stellen. Ziffer 4 sieht die pauschale Lizenzgebühr in Höhe von 10.000 € vor, welche nur einmal vom PFIF zu entrichten war, während für spätere Unterlizenzen keine weiteren Lizenzgebühren geschuldet sind.
Von besonderem Interesse sind die Geheimhaltungspflichten in Ziffer 5. Diese umfassen gemäß Abschnitt 5.6. (a) ausdrücklich nicht die Quelltexte von Implementierungen durch den Lizenznehmer oder durch Unterlizenznehmer, selbst wenn dadurch vertrauliche Microsoft Informationen veröffentlicht werden. Hier zeigt sich deutlich die Handschrift der Anwälte von Samba und vom Software Freedom Law Center, welche die Kompatibilität des Vertrags mit der GPL und anderen Open Source-Lizenzen sicherstellen wollten. Bemerkenswert ist auch, dass Microsoft in Ziffer 5.6. (b) ankündigt, eine Plattform errichten zu wollen, auf der die verschiedenen Lizenznehmer miteinander und mit Microsoft kommunizieren können, ohne ihre Geheimhaltungspflichten zu verletzen. Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass Microsoft nunmehr selbst eine Community errichten und von ihr profitieren möchte.
Hervorzuheben ist schließlich die in einem Anhang befindliche Liste der von Microsoft gehaltenen Patente, die sich auf die Implementierung der Protokolle beziehen. Die Liste gibt zwar nur die Auffassung Microsofts über die Wirksamkeit und Betroffenheit der Patente wieder. Spannend ist jedoch, dass sich Microsoft gemäß Ziffer 6.2. dazu verpflichtet hat, nicht die Verletzung anderer als der genannten Patente geltend zu machen. Samba und die anderen künftig vom PFIF mit Unterlizenzen versorgten Projekte dürften dadurch eine Menge Lesestoff, aber auch ein höheres Maß an Rechtssicherheit genießen.