Microsofts neue Shared Source-Lizenzen - auf dem Weg zur Freien Software?

Von Dr. Till Jaeger
 
Am 18. Oktober 2005 hat Microsoft fünf neue Lizenz-Templates für das eigene Shared Source Programm veröffentlicht. Das Lizenz-Set besteht aus fünf Lizenzen, der "Microsoft Permissive License" und der "Microsoft Limited Permissive License", der "Microsoft Community License" und der "Microsoft Limited Community License" sowie der "Microsoft Reference License". Nach eigenen Angaben möchte Microsoft in Zukunft für sein Shared Source Programm, in dessen Rahmen auch bislang schon der Sourcecode von ausgewählten Microsoft-Programmen lizenzgebührenfrei zur Verfügung gestellt wurde, die neuen Lizenzen verwenden. Bei der Erstellung der Lizenzen sei auf möglichst kurze und leicht verständliche Lizenztexte geachtet worden. Dies diene zum einen den Kunden, vereinfache aber auch das Lizenzmanagement für Microsoft, so dass die Veröffentlichung von Sourcecode nunmehr schneller möglich sein soll. Eine Neulizenzierung des bislang bereits als "Shared Source" veröffentlichten Codes ist allerdings nicht geplant.

Hintergrund:

Trotz der fortschreitenden Versachlichung des Wettstreits der Antipoden "Microsoft" und "Linux-Community": Der Riese aus Redmond bleibt für viele Open Source Anhänger der Lieblingsfeind, der allerdings auch selbst einiges dazu beiträgt, die Auseinandersetzung mit dem schwer greifbaren Wettbewerber zu würzen. Nicht vergessen sind die - wenig fruchtbaren - Ausfälle vom "Krebsgeschwür" Open Source und der angeblichen "Zerstörung Geistigen Eigentums". Umso bemerkenswerter ist es da, wenn Microsoft neue Lizenzen veröffentlicht, die den gängigen Definitionen von Freier Software bzw. Open Source Software zu genügen scheinen.

Dieser Befund gilt jedenfalls für die "Microsoft Permissive License" und die "Microsoft Community License", da die entsprechenden "Limited"-Versionen dieser Lizenzen nur die Verwendung auf Windows-Platformen gestatten. Weiterentwicklungen für Linux oder andere Betriebssysteme müssten hingegen herkömmlich lizenziert werden, so dass die Voraussetzungen der Free Software Definition und der Open Source Definition insoweit nicht erfüllt werden. Die "Microsoft Reference License" gestattet nur die lizenzgebührenfreie Benutzung, nicht aber weitergehende Nutzungen wie die Weitergabe oder Bearbeitung der Software und ist daher lediglich eine Freeware Lizenz.

Interessant für die Nutzer Freier Software sind hingegen die anderen beiden Lizenztypen, die jeweils die Vervielfältigung, Verbreitung und Bearbeitung des Programms gestatten. So enthält die "Microsoft Community License" eine Copyleft-Klausel, d.h. Weiterentwicklungen von unter dieser Lizenz genutztem Code müssen bei der Weitergabe ebenfalls der "Microsoft Community License" unterstellt werden. Es liegt allerdings nur ein beschränktes Copyleft wie bei der Mozilla Public License vor: Die Abgrenzung von Bestandteilen, die dem Copyleft unterfallen und solchen, für die dies nicht gilt, erfolgt allein nach formalen Kriterien, nämlich danach, ob eine Softwaredatei unter der "Microsoft Community License" lizenzierten Code enthält oder nicht. Dies ermöglicht eine einfache Abgrenzung, aber auch eine einfache Umgehung des Copyleft durch Auslagerung von Codeänderungen in eigene Dateien. Die "Microsoft Permissive License" unterscheidet hingegen danach, ob der Vertrieb im Sourcecode oder Objectcode erfolgt. Ist letzteres der Fall, dürfen beim Vertrieb von Weiterentwicklungen auch abweichende Lizenzbedingungen verwendet werden, solange diese nicht der "Microsoft Permissive License" im Übrigen widersprechen, während der Vertrieb im Sourcecode nur unter der "Microsoft Permissive License" zulässig ist. Dabei ist das "Copyleft" streng, d.h. alle "derivative works" dürfen unabhängig davon, wie der Code auf Dateien verteilt ist, nur unter der Ursprungslizenz weiterverbreitet werden.

Für ein abschließendes Fazit des neuen Lizenz-Sets ist es sicherlich noch zu früh. So muss sich erst zeigen, welche Programme diesen Lizenzen unterstellt werden, denn letztlich hängt die praktische Relevanz einer Lizenz wesentlich von der ihr unterstellten Software ab. Auch die juristische Qualität wird sich noch erweisen müssen. So ist es Microsoft zwar gelungen, extrem kurze Lizenztexte bereit zu stellen, offen ist aber, ob diese auch die relevanten Fragen eindeutig genug klären können. So fällt es auf, dass die "Microsoft Community License" bei der Weitergabe der Software durch den Lizenznehmer kein Modell der Direktlizenzierung durch Microsoft vorsieht, sondern eine Unterlizenzierung. Allerdings wird dem Lizenznehmer in der Lizenz das Recht zur Unterlizenzierung nicht explizit eingeräumt. Für die "Microsoft Permissive License" ist unklar, wer etwaigen Dritten die Nutzungsrechte einräumt. Die Klauseln zum Gewährleistungsausschluss nehmen zwar Bezug auf mögliche abweichende Verbraucherschutzregeln, sehen aber eine nach deutschem AGB-Recht unwirksame "salvatorische Klausel" vor, wie dies bei zahlreichen Open Source Lizenzen auch der Fall ist. Ein Gewinn an Rechtsklarheit ist darin ebensowenig zu sehen wie in dem Verweis auf das US-Urheberrecht im Rahmen der Definitionen. Momentan dürfte die Bedeutung der beiden Lizenzen daher vor allem in der Symbolik liegen. Mit der Erstellung von Lizenzen, die offenbar den Vorgaben der Free Software Definition und der Open Source Definition genügen, nämlich jedermann ohne inhaltliche Beschränkungen die umfassende Nutzung von Software und davon abgeleiteten Werken lizenzgebührenfrei zu gestatten, schlägt Microsoft ein neues Kapitel in der Entwicklung Freier Software auf.