Novell macht Schule: Weitere Deals zwischen Microsoft und GNU/Linux-Distributoren

Von Benjamin Roger
 
Ungeachtet der Ankündigung der Free Software Foundation (FSF), Patentabkommen wie das zwischen Microsoft und Novell durch die Version 3 der GPL zu unterbinden, zeichnet sich eine Entwicklung hin zu weiteren solchen Vereinbarungen ab. In den letzten Tagen hat der Redmonder Softwareriese ähnliche Verträge mit Xandros und Linspire (sowie dem Elektronikhersteller LGE) abgeschlossen.
Vor dem Hintergrund der Ankündigung seitens Microsoft, Linux verletze 235 seiner Patente, scheinen einige Distributoren es zu bevorzugen, sich – und ihre Kunden – auf diese Art vor der vermeintlichen Gefahr von Patentklagen durch Microsoft zu schützen. Unabhängig vom tatsächlichen Ausmaß dieser Gefahr kann die so versprochene Rechtssicherheit einen erheblichen Vorteil im Wettbewerb bedeuten, weshalb nicht ausgeschlossen ist, dass weitere Anbieter dem Beispiel folgen werden. In diesem Zusammenhang könnte der Patentklausel in der GPLv3 besondere Bedeutung zukommen. Darüber hinaus liefert Microsoft ein Lehrstück, welches auch in der Diskussion um Softwarepatente in Europa Beachtung finden könnte.

Hintergrund:

Die Behauptung Microsofts, Linux verletze zahlreiche seiner Patente, hatte in der Community eher wenig Eindruck gemacht, insbesondere weil diese zu keinem Zeitpunkt konkret benannt wurden. So hatte etwa Namensgeber Linus Torvalds geäußert, Microsoft werde wohl eher weiterhin „Fear, Uncertainty and Doubt“ (FUD) verbreiten, als tatsächlich eine Patentklage anzustrengen. Dass gerade eine solche Strategie Erfolg versprechen kann, legen die jüngsten Patentabkommen nahe. Die Rechnung leuchtet ein: Patentklagen können Prozesse in Millionenhöhe verursachen, was insbesondere kleinere Unternehmen durchaus in den Ruin treiben kann. Eine Lösung scheint in der Zahlung von „Schutzgeld“ an den Inhaber der Patente zu liegen. Eben das bieten die Linux-Distributoren, die sich mit Microsoft auf den Verzicht gegenseitiger Patentklagen einigen. Weil diese Rechtssicherheit, vor dem Hintergrund der latenten Drohungen Microsofts, die Wahl der Linux-Distribution maßgeblich beeinflussen könnte, ist eine Sogwirkung auf andere Anbieter nicht auszuschließen (vgl. Die Woche: Wie Microsoft gewinnt [heise.de]). Die Befürchtung der Kritiker ist, dass damit ein Keil in die Open Source Community getrieben würde: Distributoren und Firmenkunden, welche vertraglich gegen Patentklagen abgesichert wären, würden Entwicklern gegenüber stehen, welche der Drohung mit Patentklagen ausgesetzt wären – was letztlich die Entstehung freier Software behindern könnte (so – anschaulich – Professor Eben Moglen auf dem Red Hat Summit 2007 [Video]).

Um solchen Patentvereinbarungen entgegen zu wirken, hatte die FSF in den dritten Entwurf der GPLv3 als Reaktion auf den Microsoft-Novell-Deal zweierlei neue Regelungen eingeführt: zum einen sieht Ziffer 11 Abs. 6 (vormals Abs. 4) vor, dass Patentlizenzen auch solche Nutzer einbeziehen, die das Programm nicht direkt vom Patentinhaber erhalten haben. Zum anderen entzieht Ziffer 11 Abs. 7 (vormals Abs. 5) denen, die nach dem 28. März 2007 eine solche „diskriminierende Patentlizenz“ vereinbart haben, das Recht, Software unter der GPLv3 zu verbreiten. Letztere Klausel könnte Linspire dadurch umgehen, dass die Nutzer die Patentlizenz von Microsoft nicht automatisch erhalten, sondern einen separaten Vertrag abschließen müssen. Ob solche Feinheiten das Abkommen „GPLv3-fest“ machen, ist aber auch aus Sicht von Linspire unklar, so dass dessen CEO Kevin Carmony auch nur feststellt, dass es mit der aktuellen GPL (v2) kompatibel ist.

In jedem Fall sind die Möglichkeiten begrenzt, drohenden Patentklagen durch Bestimmungen in einer Softwarelizenz entgegen zu wirken – weshalb auch FSF-Gründer Richard Stallman das Problem bei Softwarepatenten an sich verortet. Insbesondere bezieht auch die GPLv3 explizit nur Vereinbarungen mit Patentinhabern, die selbst Software vertreiben, ein; reine IP-Holder sind davon nicht erfasst. Gerade von diesen, so Ubuntu-Gründer Mark Shuttleworth in einem lesenswerten Blog-Eintrag, ginge aber eine Gefahr von Patentklagen aus, weshalb auch er den Fehler im System von Softwarepatenten selbst sieht. Microsoft selbst werde sich, weil es zwangsläufig mit solchen in Konflikt komme, zum Gegner von Softwarepatenten entwickeln.

Gegenwärtig jedenfalls bedient man sich in Redmond dieser Patente im Verhältnis zu Linux-Distributoren. Gerade die Art des Vorgehens dabei dürfte dabei Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die eine Ausweitung von Softwarepatenten in Europa ablehnen: denn sie illustriert die oft geübte Kritik, wonach Softwarepatente speziell Großkonzernen mit breitem Patentportfolio in die Hände spielten. Insbesondere zeigt sie das Missbrauchspotential, das solchen Patenten innewohnt: aufgrund deren schierer Anzahl sind Verletzungen kaum zu vermeiden; das hohe Prozessrisiko führt dazu, dass bereits die bloße Behauptung einer Verletzung nicht benannter Patente geeignet ist, Druck zu erzeugen. Unabhängig davon, ob man einen solchen Ursachenzusammenhang zwischen der „Bedrohung“ und den Abkommen im Fall Microsofts annehmen will oder nicht, bildet dieser insofern ein Menetekel.

Bezeichnenderweise scheint man auch in den USA Anlass zu sehen, die Praxis der Vergabe von Softwarepatenten zu ändern. Jüngst kündigte das US-Patentamt an, im Rahmen eines "Community Patent Review Project" Softwareentwickler, insbesondere von Open Source Software, in die Prüfung von Patenten einzubeziehen.