Rechtsfragen der GPL Version 2 + 3 im Spiegel deutscher Fachzeitschriften

Von Dr. Axel Metzger
 
Gleich zwei in Deutschland erscheinende juristische Fachblätter widmen sich in diesem Spätsommer den Rechtsfragen der Freien Software und bieten erste Einschätzungen der GPL Version 3.

Lother Determann behandelt in seinem Beitrag „Softwarekombinationen unter der GPL“ (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2006, Heft 8-9, S. 645) schwerpunktmäßig die amerikanische Perspektive zur Frage der Bearbeitung von GPL-Software. Die deutsche Diskussion habe hier „Nachholbedarf“. Von besonderem Interesse ist das für Determanns Ansatz zentrale 4-Stufen-Modell, anhand dessen das Vorliegen eines „derivative work“ im Sinne des US-Urheberrechts geprüft werden soll. Es ist in der Tat ein Desiderat, mehr darüber zu erfahren, wie ein "derivative work" von einer bloßen Zusammenstellung selbstständiger Programme nach US-Recht abzugrenzen ist. Schließlich ist die GPL vor dem Hintergrund des US-Urheberrechts verfasst worden. US-Recht ist aufgrund des Territorialitätsprinzips zudem relevant, soweit Urheberrechtsschutz in den USA in Frage steht. Nicht ganz einleuchten mag dagegen der Vorschlag, die eigenen Aussagen der GPL zur Abgrenzung der Copyleft-Bestimmung am Ende von Ziffer 2 unbeachtet zu lassen, da es sich um bloß "erläuternde Anmerkungen" handele. Determann macht es sich hier wohl zu einfach, wenn er alleine die gesetzlichen Kategorien anwenden möchte. Die GPL liest sich eher so, als sollten diese Kategorien vertraglich modifiziert werden. Dementsprechend sind die Eingrenzungen am Ende von Ziffer 2 bindender Vertragsbestandteil. Problematisch ist auch sein Ansatz, das für das US-Recht entwickelte viergliedrige Prüfungsschema zum "derivative work" ohne weiteres zur näheren Bestimmung des Begriffs der Bearbeitung gemäß § 3 des deutschen Urheberrechtsgesetzes heranziehen zu wollen. Wie es zu diesem Implantat kommen soll, bleibt letztlich unklar. Wer wie Determann alleine auf die urheberrechtlichen Kategorien abstellen möchte und eine vertragliche Modifikation der Gesetzesbegriffe ablehnt, schneidet sich jegliche Möglichkeit ab, die Maßstäbe des US-Rechts bindend einzubeziehen. Es handelt sich dann um reine Rechtsvergleichung, die höchstens den Rang einer "persuasive authority" erreichen kann. Es ist nur folgerichtig, wenn Determann für die GPL Version 3 eine Streichung der Erläuterungen am Ende von Ziffer 2 verlangt. Kurzum: ein vielschichtiger Beitrag, der die deutsche Diskussion bereichern dürfte, auch wenn man nicht jedes Ergebnis teilen muss.

Einen anderen Blickwinkel bieten John P. Beardwood und Andrew C. Alleyne in ihrem Artikel "The Price of Binary Freedom: The Challenge of Open Hybrid Software (Computer Law Review International - CRi 2006, Heft 4, S. 97). Beardwood/Alleynes Beitrag liest sich wie der typische Blickwinkel des erfahrenen Rechtsberaters, der vor allem größere Unternehmen aus der IT-Branche berät. Die Verwendung von Freien Software-Modulen in Eigen- und Fortentwicklungen führt aus dieser Perspektive in erster Linie zu unüberschaubaren rechtlichen Problemen, die bei der Rechtsinhaberschaft anfangen, das Copyleft beklagen und bei der fehlenden Haftung und Gewährleistung enden. Dass Open Source ohne Lizenzgebühren zu haben ist und frei weiter entwickelt werden darf, spielt für Beardwood/Alleyne und ihre Mandanten offenbar kaum eine Rolle. Natürlich ist man als Softwarehaus besser gestellt, wenn man zugelieferte Module auch proprietär nutzen kann. Nur dürfte dies in aller Regel wesentlich teurer zu haben sein. The "Price of Binary Freedom" ist damit letztlich ein Rechnungsposten in der - kaufmännischen - Entscheidung pro und contra der Einbeziehung von Freier Software in die eigenen Produkte.