Update: Weitere Scharmützel zwischen GEMA und Tonträgerindustrie - Persönliche Auseinandersetzungen auf dem Rücken der Musikschaffenden

Von Till Kreutzer
 
Nachdem sich GEMA und Tonträgerindustrie seit einiger Zeit eine heftige, öffentlich geführte Auseinandersetzung über die Höhe der Beteiligungen der Musikurheber liefern (siehe Nachricht der Woche des ifrOSS vom 09.02.2004), kam es jüngst zu einem neuen Eklat. Die von der Tonträgerindustrie groß angekündigte Zeremonie zum Start der neuen Musikplattform "Phonoline" auf der CeBIT scheiterte aufgrund einer Intervention der GEMA. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich geweigert, den offiziell ersten Download vorzunehmen, nachdem der Vorstandsvorsitzende der GEMA behauptet hatte, dass die hierfür notwendigen Rechte der Urheber nicht erworben worden seien.

Hintergrund:

GEMA-Chef Kreile hatte sich in einem offenen Brief direkt an den Bundeskanzler gewendet und darauf hingewiesen, dass für das Downloaden auf der CeBIT "noch von keiner Seite die erforderliche urheberrechtliche Lizenz eingeholt worden" sei. Nachdem derlei Unsicherheit gestreut war, sagte das Kanzleramt die Vornahme des ersten Downloads durch Gerhard Schröder ab und beschränkte dessen Teilnahme auf einen kurzen Besuch nach der offiziellen Eröffnung. Wahrscheinlich wollte der Kanzler vermeiden, als der erste Rechtsverletzer in die Geschichte einzugehen, der seine Tat auf einem deutschen Online-Musikdienst begangen hat.

Die Musikindustrie lies auf eine Reaktion nicht lange warten. In einer Pressemitteilung vom 19.03.2004 bezichtigte der Vorsitzende der deutschen Phonoverbände, Gerd Gebhardt, die GEMA, durch unwahre Behauptungen das Musikgeschäft der Zukunft zu gefährden. Hintergrund des offenen Briefs seien Streitigkeiten über die Tarifansprüche der GEMA. Diese stelle "völlig überzogene Forderungen für den "New Media"-Bereich. Als Reaktion auf den "Versuch, Phonoline als das wohl wichtigste Projekt der Musikwirtschaft zu torpedieren" sagte Gebhardt sogleich die Teilnahme an einem Runden Tisch mit der GEMA ab. Dieser sollte eigentlich der Neuaufnahme von Gesprächen dienen, um das Verfahren zur Festsetzung von Tarifen für die Musikverwertung im Bereich der Neuen Medien abzukürzen. Derart einvernehmliche Lösungen wurden zuvor noch als notwendig erachtet, um in diesem Bereich endlich Rechtssicherheit für Künstler und Verwerter hierbeizuführen und damit die Basis für eine wirtschaftliche Funtkionsfähigkeit solcher Dienste erst zu begründen. Statt nun diese wichtige Rückbesinnung auf das Wesentliche anzugehen, schoß Gebhardt zurück und bemerkte, es sei zweifelhaft "dass der GEMA-Vorstand noch die Interessen aller seiner Mitglieder vertritt".

Diesen Vorwurf muss man in der Tat wohl beiden Seiten machen. Es scheint mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten, dass es sich sowohl bei der IFPI als auch bei der GEMA um Interessenvertretungen handelt, deren ureigenste und alleinige Aufgabe darin besteht, im Sinne ihrer Mitglieder zu handeln. Wenn man sich statt dessen in zunehmend persönlich geführte Auseinandersetzungen hineinsteigert, ist das wenig konstruktiv und noch weniger im Interesse der Vertretenen. Es scheint dann so, als hätten sich die Interessenvertretungen verselbständigt, als diente deren Vorgehen nur noch einem Selbstzweck. Derartiges Verhalten schadet letzlich vor allem den Musikschaffenden, die auf ein konstruktives Zusammenwirken von Interessenverbänden und Verwertungsgesellschaften angewiesen sind. Insbesondere in Richtung der Musikinteressenverbände sei zudem noch einmal daran erinnert, dass das momentane Vorgehen sich nicht gegen die GEMA an sich, sondern gegen die durch diese vertretenen Kreativen richtet. Es sollte doch bekannt sein, dass auf deren Schaffenskraft die gesamte Branche basiert. Geht man gegen Urheber und Künstler vehement vor, schadet dies nicht nur den internen Beziehungen, sondern auch - erneut - massiv dem Image der Musikwirtschaft. Angesichts sinkender Absätze und zunehmder illegaler Internet-Angebote können die durch solches Verhalten herbeigeführten Kollateralschäden nicht ernst genug genommen werden. Auf diese Weise eine Entwicklung fortzuschreiben, die mit dem Anprangern der eigenen Kunden als Rechtsverletzer und Verbrecher ihren Ausgang genommen hatte, erscheint besehen des miserablen Images der Plattenindustrie denkbar unklug. Es stellt sich die Frage, wie man auf diesem Weg gedenkt, bei den Musikkonsumenten eine Einsicht für die Probleme der Branche erreichen zu können. Dies sollte doch, angesichts einer weder durch rechtliche noch durch technische Mittel zu realisierenden Kontrolle des Kopierverhaltens, oberstes Anliegen sein.