Urheberrechtsreform weiter umstritten

Von Till Kreutzer

Am 14.11.2002 erwiderte die Bundesregierung in einer offiziellen Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf vom 27. September und legte eine elektronische Vorabversion des bestätigten - und neben der eingeflochtenen Gegenäußerung unveränderten - Regierungsentwurfes vor, der auf den 6.11.2002 datiert (http://dip.bundestag.de/btd/15/000/1500038.pdf). Die Bundesregierung zeigt sich auch in ihrer neuesten Äußerung zum Thema nicht gewillt, dem massiven Druck der Lobbyverbände nachzugeben, die Nutzerrechte so weit wie möglich zu beschneiden.

Hintergrund:

Vor allem erkennbar ist, dass die Regierung an ihrer grundsätzlichen Haltung, bei der Reform nicht einseitig die Interessen der Verwertungsindustrie, sondern auch diejenigen der Verbraucher zu berücksichtigen. festhalten wird. Dies realisiert sich vor allem in der gezeigten Einstellung zur Privatkopie- und zur Wissenschaftsschranke.
So bleibt die Regierung bei dem Vorhaben, weitere Beschneidungen der Privatkopieschranke nicht vorzusehen. Dies gilt insbesondere für die Forderung der Inhaltsindustrie, Privatkopien für unzulässig zu erklären, wenn diese von einer nichtrechtmäßig angefertigten Vorlage gezogen wurden. Hierin folgt das Ministerium für Justiz der Stellungnahme des ifrOSS, die bereits zum alten Referentenentwurf erging. Wie ifrOSS vertritt die Regierung nach wie vor die Auffassung, dass eine solche Beschränkung der Privatkopieregelung erheblich einschneidende Wirkung auf die Möglichkeit privater Nutzung von Informationen hätte, da die Rechtslage an der Kopiervorlage für den Nutzer, v.a. im Internet, meist nicht nachzuvollziehen sei. Neben der Wertung, dass eine solche Beschränkung der Nutzerrechte eine unverhältnismäßige Benachteiligung dieser Interessengruppe darstellen würde, verweist das BMJ auch auf die Unkontrollierbarkeit eines derartiges Verbotes. Da auch heute eine Überwachung des privaten Bereiches nicht möglich sei, sei eine Beschränkung der Privatkopieregelung in dieser Weise gar nicht durchsetzbar. Aus Sicht der Verbraucherinteressen kritikwürdig bleibt allerdings, dass nach wie vor nicht vorgesehen ist, die Privatkopie vor dem flächendeckenden Einsatz technischer Schutzmaßnahmen zu schützen. Soweit diese eingesetzt werden, sind Umgehungen der Systeme zum Zwecke der Anfertigung von Privatkopien nichtzulässig. Dies könnte über kurz oder lang zu einer technisch realisierten erheblichen Einschränkung der Privatkopieschranke führen, die durch das Gesetz sogar sanktioniert wird. Die Möglichkeit ungehinderter Nutzung geschützten Materials zu privaten Zwecken wird damit in die Disposition der Inhaltsindustrie gestellt, soweit technische Schutzsysteme eingesetzt werden (können). Positiv fällt weiterhin auf, dass das Ministerium auch an der im Regierungsentwurf vorgeschlagen Schranke für Wissenschaft, Lehre und Forschung festhalten will (siehe hierzu). Auch in diesem Punkt stellt sich die Regierung auf die Seite der Freiheit der Informationsnutzung und widersetzt sich den Forderungen vor allem der Verwerterindustrie, den Plan für eine Wissenschaftsschranke gänzlich aufzugeben. Den Forderungen des Bundesrates gegenüber wurden von Seiten der Regierung hingegen einige Zugeständnisse gemacht. So wurde von dem Vorhaben, zu Unterrichts- und Forschungszwecken die Vervielfältigung und das Online-Angebot ganzer Werke zuzulassen, abgerückt. Nunmehr soll dies nur noch in Bezug auf "kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften" gelten. Zudem wird in dem überarbeiteten Entwurf, den Forderungen von Bundesrat und Industrie (vor allem den Schulbuchverlagen) gemäß, eine Vergütungspflicht auch für die Nutzung der Werke im Unterricht an Schulen und Hochschulen vorgesehen. Man erwägt zudem, der Filmindustrie darin nachzugeben, dass Filmwerke generell aus dem Anwendungsbereich der Schranke ausgenommen werden sollen. Letzteres allerdings scheint fragwürdig, da die Begrenzung des Anwendungsbereiches auf kleine Teile von bereits veröffentlichten Werken ausreichen sollte, jegliche Missbrauchsbedenken der Filmindustrie auszuräumen. Ausgehend von dieser Erkenntnis ist grundsätzlich fraglich, wie eine Ungleichbehandlung der Filmwerke gegenüber anderen digital gespeicherten Schutzgegenstände gerechtfertigt werden könnte. Schließlich ist auch positiv zu verzeichnen, dass die Regierung nicht der Forderung (u.a. des Bundesrates und des Branchenverbandes BITKOM) nachgeben will, das pauschale Vergütungssystem für Privatkopien zugunsten einer reinen Abrechnung über Digital Rights Management Systems (DRM) aufzugeben. In der Gegenäußerung wird darauf hingewiesen, dass DRMs nicht flächendeckend die Vergütung der Rechtsinhaber für Nutzungen im Privatbereich garantieren können, da sie noch nicht in diesem Maße zur Verfügung stehen. In der Tat ist wohl unbestreitbar, dass effektive Schutzsysteme (sofern überhaupt vorhanden) wegen der Kosten für deren Einsatz heute allenfalls finanzstarken Verwertern zugute kommen könnten. Dagegen würden die aufgrund der Digitaltechnik aussichtsreichen Möglichkeiten der Künstler, sich selbst zu vermarkten, erheblich beschnitten. Sofern diese nicht auf Schutzsysteme zur Einzelabrechnung zurückgreifen könnten, würden bei Abschaffung der pauschalen GEMA-Vergütungen jegliche Einnahmen für die massive Nutzung im privaten Bereich ausfallen. Diese Folge wäre mit dem Ansatz eines Gesetzes, dass sich der Verbesserung des Rechtsschutzes von Urhebern und Künstlern verschrieben hat, wohl kaum vereinbar.

Fazit:

Der Ausgang der Debatte um die Urheberrechtsreform ist im Detail noch immer nicht vorherzusagen. Als nächstes muss sich der Bundestag mit der Angelegenheit beschäftigen. Es zeichnen sich auch auf dieser politischen Ebene erhebliche Auseinandersetzungen, v.a. zwischen Union und Regierung, ab (über eine erste Debatte berichtet berichtet Urheberrecht.org. ifrOSS wird sich auch weiterhin für ein ausgewogenes Verhältnis von Schutz- und Nutzerrechten einsetzen und den Gesetzgebungsprozess begleiten. Eine (weitere) offizielle Stellungnahme zur Reform ist in Arbeit und wird demnächst dem Bundestag übermittelt werden. Eine entsprechende Mitteilung wird dann an dieser Stelle ergehen.