Creative Commons verklagt

Von: Till Kreutzer
 
Die Eltern einer Schülerin haben vor dem Texas State District Court Klage gegen die Open-Content-Initiative Creative Commons und die Firma Virgin Mobile eingereicht. Es geht um ein Foto der Minderjährigen Alison Chang, das ein Fotograf aufgenommen und bei Flickr unter einer Creative Commons Attribution License gepostet hat. Dieses Foto wurde von Virgin im Rahmen einer Werbekampagne verwendet. Creative Commons soll an dieser unerwünschten Verwendung mitschuldig sein. Man hätte - so die Kläger - über die Risiken einer Lizenz, die auch die kommerzielle Nutzung erlaubt, besser aufklären müssen.

Hintergrund:

Als die Eltern der minderjährigen Schülerin Alison Chang erfuhren, dass ein Foto ihrer Tochter ungefragt in einer Werbekampagne eines Mobilfunkanbieters verwendet wurde, waren sie wohl einigermaßen überrascht. Zugetragen hatte sich das so: Ein Fotograf hatte das Foto des Mädchens aufgenommen und auf der Bilderplattform Flickr online gestellt. Für die Nutzungsrechte wählte er eine Creative Commons attribution licence, abgesehen von der Public Domain Licence die weiteste der CC-Lizenzen. Diese Lizenz sieht keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Art und Weise der Nutzung vor, erlaubt also auch und vor allem die kommerzielle Verwendung der hierunter publizierten Werke. Virgin hielt sich bei der Nutzung des Fotos für die Werbung also grundsätzlich im Rahmen der (urheberrechtlichen) Gestattung aus der Lizenz.

Dennoch hat der Urheber mit Derartigem scheinbar nicht gerechnet. Er fühlt sich von Creative Commons schlecht informiert, er hätte wohl erwartet, dass über die Folgen einer derartigen Lizenzierung eindeutiger aufgeklärt wird. Dies ist auch der Vorwurf, den der Schöpfer des Fotos, Justin Wong, in seiner Klage gegenüber Creative Commons erhebt. In der Klageschrift wird behauptet, "that Creative Commons failed ... to adequately educate and warn him ... of the meaning of commercial use and the ramifications and effects of entering into a license allowing such use."

Natürlich ist sehr fraglich, ob ein solcher Vorwurf tatsächlich eine Haftung der Initiative begründen kann. Creative Commons selbst sieht das erwartungsgemäß anders. Von größerer Bedeutung sind letztlich auch die Vorwürfe gegen den Mobilfunkbetreiber. Die Verwendung in der Werbekampagne von Virgin muss sich vor allem an den Persönlichkeitsrechten der Schülerin messen lassen. Denn auch wenn die urheberrechtliche Nutzungsbefugnis für das Bild durch die Creative-Commons-Lizenz eingeräumt wurde, kann dessen Verwendung wegen eines Eingriffes in das "right of privacy" der Schülerin unzulässig sein. Lawrence Lessig weist in seinem Blog darauf hin, dass eine Lizenzierung unter Creative Commons keine Auswirkung auf persönlichkeitsrechtliche Befugnisse hat und haben soll.

Wäre über die Klage nach deutschem Recht zu entscheiden, hätte Virgin wohl schlechte Karten. Denn das Foto einer Minderjährigen ohne Zustimmung im Rahmen einer Werbekampagne zu verwenden, ist generell rechtswidrig. Dies dürfte auch dann gelten, wenn das Foto bereits bei Flickr unter einer urheberrechtlichen Lizenz zugänglich war, die eine kommerzielle Verwendung erlaubt. Keineswegs kann allgemein angenommen werden, dass jemand, der sein Foto auf einem Online-Portal zugänglich macht oder machen lässt, gleichzeitig jeden Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dulden will. Und es ist schon etwas anderes, wenn das eigene Konterfei auf Plakatwänden, in Zeitschriften oder gar im Fernsehen erscheint, als wenn das Foto lediglich als eines unter Millionen anderer von einer Webseite abgerufen werden kann.

Dennoch wirft der Fall interessante Rechtsfragen auf. Kann darin, dass jemand eine allgemeine Erlaubnis für die kommerzielle Nutzung eines Fotos mit seinem Bildnis ausspricht, eine konkludente persönlichkeitsrechtsbezogene Einwilligung für die werbliche Verwendung gesehen werden? Wie verhalten sich Urheber- und Persönlichkeitsrechte in einem solchen Fall zueinander? Müssen die in Open-Content-Lizenzen verwendeten Begrifflichkeiten (vor allem der Begriff der kommerziellen Nutzung) eindeutiger erklärt werden? Und wer ist für Missverständnisse verantwortlich?