Open Source hui, Verbraucher pfui: Referententwurf zum "Zweiten Korb"

Von Dr. Axel Metzger
 
Das Bundesjustizministerium hat heute früh den Referentenentwurf für ein "Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" vorgelegt. Er steht überwiegend im Zeichen der Verwerterinteressen und liest sich über weite Strecken wie ein Sieg der Musik- und Filmindustrien und des Börsenvereins. Positiv zu vermerken ist, dass der Entwurf auf Anregung des ifrOSS zwei neue Linux-Klauseln enthält, die Einschränkungen urheberrechtlicher Ansprüche zugunsten von Freier Software und Open Content vorsehen. Der Entwurf muss jetzt zunächst in die Abstimmung zwischen den Ministerien, bevor er als Regierungsentwurf in das Parlament eingebracht werden kann.

Hintergrund:

Der Gesetzgeber hatte im August 2003 ein erstes Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie "zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (2001/29/EG )" vorgelegt, damals aber besonders umstrittene Fragen zunächst ausgespart, um in einem "Zweiten Korb" nach einer Konsultation der beteiligten Kreise nochmals tätig zu werden. Der Entwurf war deswegen seit dem Sommer mit Spannung erwartet worden, nach dem das Ministerium seine interne Beratung zu den Hauptgesichtspunkten des Gesetzes in Arbeitsgruppen abgeschlossen hatte.
In den Arbeitsgruppen waren auch Mitglieder dies ifrOSS beteiligt, Till Kreutzer und Carsten Schulz. Dies hat sich für die Open Source Community positiv ausgewirkt, da das BMJ nun die Aufnahme von zwei neuen "Linux"-Klauseln in § 32a Abs. 3 S. 3 UrhG und § 32c Abs. 3 S. 2 UrhG vorschlägt. Die Aufnahme einer entsprechenden Klausel hatte das ifrOSS in seiner Stellungnahme vom 29.04.2004 für § 32a UrhG gefordert. Im BMJ hat man diesen Gedanken entsprechend herangezogen und auch gleich in dem neu geschaffenen Anspruch § 32c UrhG berücksichtigt. Soweit das Gesetz für den Urheber eines Computerprogramms unverzichtbare Ansprüche auf Vergütung vorsieht, wie dies in den §§ 32, 32a und jetzt auch 32c UrhG der Fall ist, muss eine Ausnahme für die Lizenzmodelle der Freien Software und Inhalte aufgenommen werden, da hier entsprechende Ansprüche zur Rechtsunsicherheit führen würden. Man stelle sich vor, Linus Torvalds klopft eines Tages bei IBM an und verlangt eine Vergütung für die später bekannte Nutzungsart ASP auf der Grundlage des § 32c UrhG. Hier ist eine Ausnahmevorschrift nützlich und sinnvoll. Wenn das Gesetz in dieser Form verabschiedet wird, wäre dies nach der Einführung der ersten "Linux"-Klausel die zweite Gelegenheit, bei der sich der Gesetzgeber pro Open Source entscheidet. Hier zeichnet sich ein roter Faden ab.
So positiv es für die Linux-Community aussieht, so düster erscheint der Rest des Entwurfs. Der Entwurf ist in seiner Gesamtheit ein gewaltiger Sieg der Industrielobbies. Hier kann nur ein Überblick über die umfangreichen Neuregelungen gegeben werden. Die Neufassung der Privatkopieschranke in § 53 Abs. 1 UrhG beseitigt letzte Zweifel, dass man den Download aus Peer-to-Peer-Netzwerken künftig nicht mehr als Privatkopie einordnen kann. § 53a Abs. 1 S. 2 UrhG sieht das faktische Ende des elektronischen Kopienversandes durch öffentliche Bibliotheken vor. Ob dieser Service von der Privatkopieschranke gedeckt ist, war bislang unter Juristen umstritten. Der Gesetzesentwurf stellt nun zugunsten der Verlage klar, dass ein solcher Versand unzulässig ist, wenn es den Beitrag auch in einem (Bezahlt-)Onlinedienst des Verlags gibt.
Was die digitale Privatkopie betrifft, ist zwar festzuhalten, dass diese nicht vollends abgeschafft worden ist. Grundsätzlich bleibt auch weiterhin eine Privatkopie in allen Medien möglich. Sofern der Rechtsinhaber aber Kopierschutzsysteme oder sonstige technische Schutzmaßnahmen (DRM) einsetzt, besteht kein Recht des Verbrauchers, sich auf die Privatkopieschranke zu berufen. Die Verwerterverbände hatten eine völlige Abschaffung der digitalen Privatkopie gefordert. Man muss sich allerdings fragen, ob diese je realistisch hätte durchgesetzt werden können. Es scheint eher so, dass die Verwerterverbände mit dieser Forderung Verhandlungsmasse schaffen wollten. Das Ministerium hat diesen Ball aufgenommen und stellt die jetzigre Lösung als Kompromiss dar. Es bleibt hierbei ein schales Gefühl. Es zeigt sich einmal mehr, dass die beiden Seiten auf die öffentliche Meinungsbildung mit unterschiedlichen Ressourcen einwirken können. Da bieten auch die Berücksichtigung des Einsatzes von DRM-Systemen bei der Vergütungshöhe in § 54a Abs. 1 UrhG und die neu eingeführte Schranke in § 52b UrhG zugunsten von elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken nur schwachen Trost.
Es lohnt in solchen Momenten immer, sich kurz im Bürostuhl zurückzulehnen, die Augen zu schließen und einen Blick auf die große Perspektive jenseits des Klein-Klein der Einzelregelungen zu werfen. Wie haben unsere Gesetzgeber auf globaler, europäischer und nationaler Ebene bislang auf die Verheißungen des Internet oder der Informationsgesellschaften reagiert? Wie wurde darauf reagiert, dass die Vertriebsleistungen der klassischen Verwerterindustrien nicht mehr erforderlich sind? Es scheint so zu sein, dass man den klassischen Urheberindustrien den dringend notwendigen Strukturwandel ersparen will, in dem man ihre zumeist fantasielose Anspruchshaltung gegenüber der Welt des Internet bestätigt und unterstützt. Dies wird auf mittlere Sicht nicht funktionieren. Die "Informationsgesellschaft" ist ohne Akzeptanz ihrer Bürger nicht möglich. Die gilt auch für das Urheberrecht, welches die Interesse der Beteiligten ausgleichen muss und nicht als Kampfmittel Weniger desavouiert werden darf.