FSFE bezeichnet Schreiben neuer Lizenzen als vielfach kontraproduktiv

Von Carsten Schulz
 
Nach Ansicht der Free Software Foundation Europe (FSFE) gibt es möglicherweise einen Trend, dass immer mehr Projekte neue Lizenzen für Freie Software erfinden, statt die bestehenden zu verwenden, die von tausenden Projekten bereits erfolgreich eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang betont die FSFE ausdrücklich, dass nach ihrer Auffassung die GNU Public License (GPL), die GNU Lesser General Public License LGPL und die BSD-artigen Lizenzen ausgezeichnet für die meisten - wenn nicht für alle - Freien Softwareprojekte anwendbar seien. Behauptungen, die GPL wäre außerhalb der USA nicht anwendbar, seien durch ein Urteil des Landgerichts München (PDF, ca. 750 KB) zur Wirksamkeit der GPL widerlegt worden.

Hintergrund:

Eine der wesentlichen Stärken der Freier Software ist sicherlich darin zu erkennen, dass diese Software zu wesentlichen Teilen unter denselben oder jedenfalls unter kompatiblen Lizenzen veröffentlicht wird. Dies ermöglicht die vergleichsweise unproblematische Kombination von Codebestandteilen verschiedener Programme zu neuen Softwarelösungen und kann damit zu einer effektiveren Nutzung bestehenden Programmcodes beitragen.

Gleichzeitig erleichtert die Beschränkung auf einige wenige Lizenzen Nutzern, Entwicklern und Distributoren, den Überblick über ihre Rechte und Pflichten zu behalten. Gerade auch im unternehmerischen Bereich wird es als ein wichtiges Ziel angesehen, die Zahl bestehender Freier Softwarelizenzen überschaubar zu halten. Unternehmen würden Freie Software nur verzögert einsetzen, wenn zunächst jeweils eine Vielzahl von Lizenzen auf mögliche Risiken hin untersucht werden müssten.

Dennoch gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe dafür, dass momentan in zahlreichen Staaten neue Lizenzen entstehen (vgl. dazu auch die Nachricht der Woche vom 19.07.2004). So sind beispielsweise mit dem Urteil des Landgerichts München keineswegs alle offenen Fragen zur Anwendung der GPL unter deutschem Recht geklärt worden. Das Urteil hatte sich im Wesentlichen mit der Rechseinräumung und dem Rückfall der Rechte an den Urheber bei einer Lizenzverletzung durch den Lizenznehmer auseinander zu setzen. Hingegen spielten etwa die Fragen nach der Möglichkeit eines Haftungsausschlusses und nach der Wirksamkeit von "Any-later-version"-Klauseln in diesem Urteil keine Rolle. Und gerade diese Klauseln können bei Anwendbarkeit deutschen Rechts problematisch sein.

Solange hier diejenigen Institutionen, welche die großen Freien Softwarelizenzen verwalten, nicht Strategien entwickeln, um diesen Problemen zu begegnen, wird man daher wohl damit zu leben haben, dass Entwickler auf die Möglichkeit der Verwendung neuer Lizenzen zurückgreifen. Es handelt sich in diesem Fall letztlich um eine Abwägung, zwischen einer möglichst weitreichenden "Lizenzkompatibilität" einerseits und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit andererseits. Hier könnten die für die Verwaltung der Lizenzen verantwortlichen Institutionen viel zu einer Rückkehr zu einer überschaubaren Anzahl von Lizenzen beitragen, indem sie den Problemen einer internationalen Verwendung von Lizenzen stärker ins Auge schauen: Will man eine Verwendung der Lizenzen in Europa sicherstellen, wird man verstärkt auch auf das europäische Urheber- und Verbraucherschutzrecht Rücksicht nehmen müssen.