Bundesgerichtshof präzisiert Vorgaben zur erfinderischen Tätigkeit bei computerimplementierten Erfindungen

von: Stefan Labesius

In den vergangenen Jahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH) vermehrt die Möglichkeit genutzt, zu zentralen Fragen der Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen Stellung zu beziehen. In den bisherigen Entscheidungen standen in erster Linie die Beurteilung von Technizität computerimplementierter Erfindungen sowie der Ausschluss von der Patentierbarkeit von Software als solcher im Mittelpunkt. Mit seiner jüngsten Entscheidung präzisiert der BGH nun die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bei computerimplementierten Erfindung – und zieht insoweit eine Grenze für deren Schutzfähigkeit.

I. Technizität und Erfindungssausschluss

Geklärt ist, dass Computerprogramme oder entsprechende Verfahrensansprüche stets als technisch i. S. d. § 1 Abs. 1 PatG anzusehen sind. Denn die erforderliche Technizität liegt schon deswegen vor, weil der Gegenstand der datenverarbeitungsmäßigen Abarbeitung von Verfahrensschritten der Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten mittels eines technischen Geräts dient (vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 2009 – X ZB 22/07, Rn. 8 – Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten). Unerheblich für das Technizitätserfordernis ist, ob der Anmeldegegenstand neben technischen Merkmalen auch nichttechnische aufweist.

Auch die Beurteilung, inwieweit Computerprogramme als solche überhaupt patentierbar sind (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. Abs. 4 PatG; Art. 52 Abs. 2 c) i. V. m. Abs. 3 EPÜ), ist weitgehend geklärt. In der Entscheidung „Dynamische Dokumentengenerierung“ (Urteil v. 22. April 2010 – Xa 20/08) hatte der BGH insoweit klargestellt, dass der Ausschluss von der Erfindungsfähigkeit dann nicht für computerimplementierte Verfahren gilt, sofern diese ein technisches Problem mit technischen Mitteln zu lösen im Stande sind (vgl. auch Nachricht der Woche v. 25. Mai 2010). Bezogen auf das Zusammenspiel von Software und Hardware liegt eine solche Problemlösung nach Ansicht des BGH danach  zum einen vor, wenn der Ablauf von Software zur Problemlösung durch solche technische Gegebenheiten außerhalb der zu steuernden Hardware bestimmt wird. Daneben kann eine patentfähige Lösung darin bestehen, Software so auszugestalten, dass sie auf technische Gegebenheiten Rücksicht nimmt. Schließlich reicht es auch aus, wenn eine Modifizierung oder neuartige Adressierung der Gerätekomponenten vorgenommen wird.

II. Erfinderische Tätigkeit

Um als patentfähig zu gelten, müssen computerimplementierte Erfindungen aber auch die weiteren allgemeinen Voraussetzungen wie Neuheit und erfinderische Tätigkeit erfüllen. Bei einem solchen Erfindungsgegenstand dürfen allerdings für die Beurteilung, inwieweit eine erfinderische Tätigkeit vorliegt, nur solche Anweisungen im Patentanspruch Berücksichtigung finden, die die patentgemäße Lösung des beschriebenen technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (vgl. BGH, Urteil v. 26. Oktober 2010 – X ZR 47/07 – Wiedergabe topographischer Informationen).

Dieses Kriterium für Erfindungsmerkmale, die eine computergesteuerte Datenauswahl beschreiben, hat der BGH mit der nun veröffentlichten Entscheidung „Routenplanung“ (BGH, Urteil v. 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12)  präzisiert. Danach können Anweisungen zur Datenauswahl, deren technischer Aspekt sich auf die Anweisung beschränkt, hierzu Datenverarbeitungsmittel einzusetzen, jedenfalls bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn solche Anweisungen zu einer Verringerung der erforderlichen Rechenschritte führen (Urt. v. 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12, Rn. 54 – Routenplaner). Das bedeutet demnach, dass die bloße Anweisung, eine Datenauswahl durch einen Computer vorzunehmen zwar die erforderliche Technizität zu begründen vermag. Jedoch bei der Frage, ob ein zusätzlicher Beitrag zum Stand der Technik vorliegt, muss ein solches Merkmal außer Betracht bleiben. Die bloße Automatisierung der Datenauswahl bei bereits bekannten Verfahren ist damit also patentrechtlich nicht schutzfähig.

Im Grundsatz entspricht dieser Beurteilungsmaßstab der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des EPA. Dort werden für die Beurteilung des erfinderischen Schritts auch nur solche Merkmale berücksichtigt, die einen technischen Charakter aufweisen (sog. COMVIK approach, vgl. EPA, Entscheidung v.  26. September 2002 – T 641/00 – COMVIK). Allerdings lassen es die EPA-Beschwerdekammern bei dieser Beurteilung ausreichen, dass zum einen auch nicht-technische Probleme, die durch eine technische Lösung überwunden werden, Berücksichtigung finden. Zum anderen können auch nicht-technische Lösungen (wie beispielsweise mathematische Algorithmen) ihren technischen Charakter vom zu lösenden technischen Problem ableiten (vgl. jüngst: EPA, Entscheidung v. 21. September 2012 – T 1784/06, Ziff. 2.3 – Comptel).

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