Von: Florian Idelberger
Am 03.07.2012 entschied der EuGH in der Sache UsedSoft vs. Oracle (C-128/11). Der EuGH stellte klar, dass grundsätzlich auch für online erworbene Software der Erschöpfungsgrundsatz des Urheberrechts gilt. Gesetzlich festgelegt ist dies in der Richtlinie 2009/24 Art. 4, die ihre Umsetzung findet in Art. § 69c UrhG. Insbesondere gilt die nach dem jetzigen Urteil auch beim Onlinevertrieb von Software in einer Weise, dass ein Lizenzvertrag abgeschlossen wird, der dann den Download der Software und die Benutzung auf einer bestimmten Anzahl an Client-Computern gestattet. Ein Käufer erhält danach das Recht, seine Nutzungsrechte in vollem Umfang weiter zu veräußern, sogar inklusive eines beim Kauf abgeschlossenen Wartungsvertrages. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass der Erstkäufer seine Programmkopie nicht mehr verwendet oder löscht. Anders hat der EuGH hingegen den Verkauf von Teilen von Volumenlizenzen bewertet, da in diesem Fall die eigene Kopie nicht unbrauchbar gemacht, sondern zum weiteren Vertrieb von einzelnen Lizenzen genutzt würde.
Der EuGH ging in seiner Entscheidung sogar noch weiter als vom Generalstaatsanwalt in seinem Schlussvortrag gefordert, in dem er dem Käufer der gebrauchten Software das Recht einräumte, die Software selbst vom Hersteller herunter zu laden. Dies wurde damit begründet, dass dem rechtmäßigen Erwerber einer Kopie das ‚laden und ablaufen‘ in jeder Hinsicht zu gestatten ist, soweit wie die für die bestimmungsgemäße Nutzung der Software notwendig ist.
Ein zentraler Punkt im Urteil des EuGHs ist der Verkaufsbegriff. Es scheint offensichtlich, dass es das Ziel der Argumentation war, Off- und Online Verkäufe weitestgehend gleich zu stellen. Dies ist im Hinblick auf den freien Warenverkehr zu begrüßen. Der EuGH betont auch explizit, dass eine unbefristete Überlassung durch die rechtliche Trennung in Lizenzvertrag und Download nicht anders zu sehen sei als der Kauf einer materiellen Kopie, da der Verkaufsbegriff im Sinne der Richtlinie und im Ziele der Harmonisierung unionsrechtlich einheitlich zu interpretieren ist.
Dies steht der bisherigen Rechtsprechung vieler deutscher Gerichte entgegen, die nun in zukünftigen Entscheidungen das Urteil des EuGH berücksichtigen müssen. Das Urteil kommt jedoch nicht unerwartet, da sowohl in Fachveröffentlichungen eine vergleichbare oder teils sogar weitergehende Argumentation zu finden ist. Weitere wichtige Aspekte der Argumentation des EuGH sind die Frage, ob Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 und § 69 c UrhG auch auf unkörperliche Kopien Anwendung findet und ob beim Download der ursprünglichen Programmkopie Eigentum übertragen wird.
Dazu interpretiert der EuGH die Richtlinie 2009/24 als lex specialis dahingehend, dass die Richtlinie in Art. 4 Abs. 2 keinen Unterschied zwischen körperlichen und nicht körperlichen Programmen macht und sich auch generell - insbesondere nach der Definition der Reichweite in Art. 1 - auf alle Computerprogramme erstreckt, unabhängig von der Ausdrucksform.
Ebenso geht der EuGH davon aus, dass eine unbefristete Überlassung per Download gleichbedeutend und funktional gleichwertig ist mit der Überlassung einer körperlichen Kopie und dass deswegen Eigentum übertragen wird. Er unterstreicht, dass dies schon allein deshalb wichtig sei, da es sonst zu einfach wäre, durch Umbenennung eines Vertrages in „Lizenzvertrag“ den Erschöpfungsgrundsatz zu umgehen.
Durch die Kombination dieser Rechtsauffassungen kommt der EuGH dann zu dem Schluss, dass der Erwerber gebrauchter Lizenzen als ‚rechtmäßiger Erwerber‘ im Sinne von Art. 5. Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 zu sehen ist. Dadurch hat er dann nicht nur ein Nutzungsrecht, sondern auch das Recht, eine Kopie direkt von Oracle herunterzuladen (da dies zum Laden und Ablaufen des Programms vorgesehen ist) und das Recht auf Aktualisierungen und Reparaturen durch den mit verkauften Wartungsvertrag. Interessant dabei ist in diesem Zusammenhang, das der EuGH die Aktualisierung und Behebung von Fehlern rechtlich nicht als neue Kopie, sondern als Verbesserung der bestehenden Kopie sieht.
Ungeklärte Fragen
Im Hinblick auf die Auswirkungen dieses Urteils stellen sich mehrere, bisher ungeklärte Fragen. Im Bereich der Open Source Software ist fraglich, in wie weit der Erschöpfungsgrundsatz für Open Source Software gilt, und falls ja, was für Auswirkungen das hätte. In der Fachwelt gehen die Meinungen darüber auseinander. Es ist davon auszugehen, dass der Erschöpfungsgrundsatz grundsätzlich gilt aber gar keine praktischen Auswirkungen hätte.
Darüber hinaus ist noch die Frage zu stellen, ob das Urteil auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Online Erschöpfung bei anderen Werkarten hat. Direkt anwendbar ist es nicht, da sich die Argumentation des EuGH in Teilen auf die Richtlinie 2009/24 stützt, die sich nur mit dem Schutz von Computerprogrammen befasst. Bei anderen Werkarten als Software ist die Richtlinie 2001/29 einschlägig.
In Erwägungsgrund 29 der Richtlinie werden Dienstleistungen und 'Online Services' vom Erschöpfungsgrundsatz ausgeschlossen. Laut vorliegender Rechtsprechung des EuGH führt dies jedoch bei einem Verkaufsvorgang auch bei Immaterialgütern nicht notwendigerweise dazu das der Erschöpfungsgrundsatz bei Online-Waren nicht gilt. Wie diese Fragen im Einzelnen zu beantworten sind, ist jedoch noch unklar, dazu müssen erste Gerichtsentscheidungen abgewartet werden.