Studie: Softwarepatente bringen kaum Nutzen, aber hohes Prozessrisiko

Von: Benjamin Roger

Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Softwarepatente seit ihrer Etablierung zwar rapide zugenommen hat, diese Patente aber keinen ersichtlichen Nutzen für die Software-Branche gebracht hätten. Die bei weitem meisten davon würden von Unternehmen aus anderen Branchen gehalten oder von wenigen großen Softwarefirmen. Demgegenüber habe sich erwiesen, dass von Patenten auf Software ein weit höheres Prozessrisiko ausgehe als in anderen Bereichen, was Innovation hemmen würde, statt sie zu fördern.

Hintergrund:
 
Der Autor James Bessen, der in Boston Jura lehrt, wertet zunächst Studien aus, die sich mit der Entwicklung von Softwarepatenten seit 1994 befassen. In diesem Jahr hatte der Court of Appeals for the Federal Circuit den Weg für die Patentierung von Software-Code geebnet. Ferner untersucht der Autor Daten über die Erteilung von Patenten und Patentverletzungsverfahren in den letzten zehn Jahren.
 
Die Zahl der Softwarepatente nehme weiterhin stark zu, mehr als die aller Patente insgesamt. Im Jahr 2006 entfielen (unter den börsennotierten Unternehmen) aber nur 27 % dieser Softwarepatente auf die Softwarebranche, wobei davon 81 % von den 10 größten Unternehmen gehalten wurden. Nur knapp ein Drittel der Softwarefirmen hielten überhaupt Patente, unter den Startups waren es nur 12 % (S. 16 f.).
 
Studien zur Korrelation zwischen Patentaktivität und Investitionen hätten keinen eindeutigen Nachweis eines positiven Einflusses von Patenten auf Investitionen erbringen können. Es werde zwar vertreten, dass insbesondere Start-Ups von Patenten profitieren könnten, indem diese potentiellen Investoren signalisierten, dass das Unternehmen über wertvolle Technologie verfügt. Doch halte diese Ansicht den etablierten Kriterien des "Signaling" in der ökonomischen Theorie nicht stand. Denn danach signalisiere ein Agent den hohen Wert seiner Güter, indem er erhebliche Kosten zum Aussenden eines Signals aufwende. Softwarepatente aber seien eher günstig zu haben und erforderten wenig mehr als eine komplexe Beschreibung einer Idee. Zweitens sei auch das Patentprüfungsverfahren nicht geeignet, den wirtschaftlichen Wert adäquat zu messen.
Dementsprechend stellt Bessen fest, dass 90 % der börsennotierten Software-Startups keine Patente halten. Dass nicht börsennotierte Unternehmen eher Patente anmelden, sei daher wohl eher darauf zurückzufüren, dass deren Investoren diese als Sicherheit im Falle einer Insolvenz betrachten könnten (S. 17 ff.).
 
Diesen allenfalls mageren Vorteilen stellt der Autor die hohen Kosten gegenüber, die die zunehmende Zahl der Gerichtsverfahren um Softwarepatente verursachten. Diese seien weit häufiger als Patentverfahren insgesamt. Hier zeigt sich im Übrigen auch, dass nicht immer der Schutz von Innovationen im Vordergrund steht. Bessens Vermutung, dass viele Unternehmen Softwarepatente eher zu anderen, strategischen Zwecken nutzen, scheint sich hier zu bestätigen, was die sich häufenden Verfahren illustrieren mögen, in denen Nicht-Softwarefirmen Patentportfolios nur ansammeln, um gerichtlich Schadensersatz einklagen zu können (s. etwa die Nachrichten vom 12.5.2011 und vom 22.10.2007).
Auch Softwareunternehmen hielten nicht selten Patente aus eher sachfremden, strategischen Gründen (S. 20, s. dazu auch defensive Patent policy von Red Hat).
 
Zusammenfassend hält Bessen fest, dass - auch jenseits etwaiger Anfangsschwierigkeiten in den 1990ern - Softwarepatente der Branche wohl mehr Schaden bzw. Risiko als Nutzen bringen. Gleichwohl habe die jüngere Rechtsprechung einigen "Exzesse" Einhalt geboten, was möglicherweise eine Abnahme des Prozessrisikos einleiten könne (S. 20; s. auch die jüngste Entscheidung des Supreme Court, welche die hohen Anforderungen an den Beweis der Ungültigkeit eines Patents im Prinzip aufrecht erhält, aber möglicherweise für neue Beweismittel erleichtert).