von: Stefan Labesius
Im Zuge der sog. Browser-Entscheidung der EU-Kommission Mitte Dezember 2009 (Pressemitteilung vom 16.12.2009) hatte sich Microsoft bereit erklärt, eine Installationshilfe für Internetbrowser anderer Anbieter bereit zustellen. Damit waren auch Zugeständnisse des amerikanischen Software-Riesen zur Offenlegung von Schnittstellenspezifikationen verbunden, denen in der öffentlichen Berichterstattung bisher nur am Rande Beachtung geschenkt wurden.
So war es ein Kernanliegen der EU-Kommission, Softwareentwicklern Zugang zu sog. Schnittstelleninformationen von Microsoft-Produkten (wie z.B.: Windows-Server, Office, Exchange, SharePoint) ermöglichen, um Interoperabilität mit fremder Software herstellen zu können.
Bestandteil dieser Verpflichtungen Microsofts gegenüber der EU-Kommission ist ein sog. Patentversprechen (Patent Pledge). Darin erklärt sich Microsoft gegenüber Open-Source-Softwareentwicklern grundsätzlich bereit, nicht aus Patentansprüchen wegen der Implementierung technischer Spezifikationen von Microsoft-Produkten vorzugehen. Das Unternehmen verpflichtet sich damit ausdrücklich und unwiderruflich, keine notwendigen Ansprüche gegen Open-Source-Softwareentwickler für das Herstellen, die Nutzung, den Import oder die Verbreitung jeglicher Implementierungen von sog. technischer Dokumentation geltend zu machen. Als notwendige Patentansprüche werden im Sinne des Patentversprechens dabei solche Ansprüche angesehen, die für eine Implementierung technischer Dokumentation erforderlich sind. Als technische Dokumentationen sind vor allem die Dokumentationen für Protokolle (Schnittstelleninformationen) umfasst, die von Microsoft auf einer Internetseite zur Verfügung gestellt werden.
Hintergrund:
Von dem Patentversprechen sollen Open-Source-Projekte profitieren, d.h. Softwareentwicklungsprojekte, deren Software auf Grund einer Open-Source-Lizenz frei verbreitet, verändert oder kopiert werden kann. Jedoch enthält das Patent-Versprechen Microsoft auch einige Stolpersteine. So soll das Versprechen gerade nicht Open Source Projekte einbeziehen, deren Beteiligte die entsprechende Open-Source-Software kommerziell verbreiten. Als kommerzielle Verbreitung i.S.d. Versprechens soll dabei gelten, wenn ein Distributor Vergütungen im Rahmen für die Verbreitung der Softwareprodukte verlangt wie z.B. bei Subskriptionen, Updates oder User-basierten Anschlussgebühren.
Ein überwiegender Teil der Open-Source-Softwareentwicklungen, die auf Schnittstelleninformationen von Microsoft-Produkten angewiesen sind, wie z.B. Software für heterogene Server-Umgebungen, wird jedoch von Entwicklern der bekannten OSS-Distributoren (z.B. RedHat, Novell, Mandriva) erstellt und vertrieben. Betroffen von dieser Ausnahme dürften aber auch Softwareentwicklungen sein, die auf einem Foundation-Modell (z.B. Mozilla, Eclipse) basieren. Hierbei wird in der Regel die Weiterentwicklung von Open-Source-Software zwar durch eine eigenständige Stiftung koordiniert und organisiert. Jedoch sind deren Mitglieder oder Unterstützer in der Regel Softwareunternehmen (z.B. IBM, Sun, RedHat.), die wiederum durch ihre Entwickler entsprechende Programmierbeiträge für die jeweilige Software einbringen und die entsprechende Software in ihren Geschäftsfeldern nutzen.
Hintergrund dieser restriktiven Selbstverpflichtung dürfte vor allem darin zu sehen sein, dass sich Microsoft zwar gegenüber der EU-Kommission zur Offenlegung der entsprechenden Schnittstelleninformationen insbesondere zu Gunsten von professionellen Softwareentwicklern verpflichtet hat. Die dafür vorgesehenen Patentlizenzmodelle sehen aber ausnahmslos eine Vergütungspflicht für die Lizenzierung der Schnittstellentechnologien vor.